Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.Agathon. ihm beym ersten Anblik die allgemeine Bewunderung zu.Dionys, welcher als König zu wol mit sich selbst zu- frieden war, um über einen Privat-Mann wegen irgend einer Vollkommenheit eyfersüchtig zu seyn, überließ sich dem angenehmen Eindruk, den dieser schöne Fremdling auf ihn machte. Die Philosophen hoften, daß das Jn- wendige einer so viel versprechenden Aussenseite nicht ge- mäß seyn werde, und diese Hofnung sezte sie in den Stand, mit einem Nasenrümpfen, welches den geringen Werth, den sie einem solchen Vorzug beylegten, an- deutete, einander zu zuraunen, daß er --- schön sey. Aber die Höflinge hatten Mühe ihren Verdruß dar- über zu verbergen, daß sie keinen Fehler finden konn- ten, der ihnen den Anblik so vieler Vorzüge erträglich gemacht hätte. Wenigstens waren dieses die Beobachtun- gen, welche der kaltsinnige Aristipp bey dieser Gelegen- heit zu machen glaubte. Agathon verband in seinen Reden und in seinem gan- dem
Agathon. ihm beym erſten Anblik die allgemeine Bewunderung zu.Dionys, welcher als Koͤnig zu wol mit ſich ſelbſt zu- frieden war, um uͤber einen Privat-Mann wegen irgend einer Vollkommenheit eyferſuͤchtig zu ſeyn, uͤberließ ſich dem angenehmen Eindruk, den dieſer ſchoͤne Fremdling auf ihn machte. Die Philoſophen hoften, daß das Jn- wendige einer ſo viel verſprechenden Auſſenſeite nicht ge- maͤß ſeyn werde, und dieſe Hofnung ſezte ſie in den Stand, mit einem Naſenruͤmpfen, welches den geringen Werth, den ſie einem ſolchen Vorzug beylegten, an- deutete, einander zu zuraunen, daß er ‒‒‒ ſchoͤn ſey. Aber die Hoͤflinge hatten Muͤhe ihren Verdruß dar- uͤber zu verbergen, daß ſie keinen Fehler finden konn- ten, der ihnen den Anblik ſo vieler Vorzuͤge ertraͤglich gemacht haͤtte. Wenigſtens waren dieſes die Beobachtun- gen, welche der kaltſinnige Ariſtipp bey dieſer Gelegen- heit zu machen glaubte. Agathon verband in ſeinen Reden und in ſeinem gan- dem
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Agathon.
ihm beym erſten Anblik die allgemeine Bewunderung zu.
Dionys, welcher als Koͤnig zu wol mit ſich ſelbſt zu-
frieden war, um uͤber einen Privat-Mann wegen irgend
einer Vollkommenheit eyferſuͤchtig zu ſeyn, uͤberließ ſich
dem angenehmen Eindruk, den dieſer ſchoͤne Fremdling
auf ihn machte. Die Philoſophen hoften, daß das Jn-
wendige einer ſo viel verſprechenden Auſſenſeite nicht ge-
maͤß ſeyn werde, und dieſe Hofnung ſezte ſie in den
Stand, mit einem Naſenruͤmpfen, welches den geringen
Werth, den ſie einem ſolchen Vorzug beylegten, an-
deutete, einander zu zuraunen, daß er ‒‒‒ ſchoͤn ſey.
Aber die Hoͤflinge hatten Muͤhe ihren Verdruß dar-
uͤber zu verbergen, daß ſie keinen Fehler finden konn-
ten, der ihnen den Anblik ſo vieler Vorzuͤge ertraͤglich
gemacht haͤtte. Wenigſtens waren dieſes die Beobachtun-
gen, welche der kaltſinnige Ariſtipp bey dieſer Gelegen-
heit zu machen glaubte.
Agathon verband in ſeinen Reden und in ſeinem gan-
zen Betragen ſo viel Beſcheidenheit und Klugheit mit
dieſer edeln Freyheit und Zuverſichtlichkeit eines Welt-
mannes, worinn er ſich zu Smyrna vollkommen gemacht
hatte; daß Dionys in wenigen Stunden ganz von ihm
eingenommen war. Man weiß, wie wenig es oft be-
darf, den Groſſen der Welt zu gefallen, wenn uns nur
der erſte Augenblik guͤnſtig iſt. Agathon mußte alſo
dem Dionys, welcher wuͤrklich Geſchmak hatte, noth-
wendig mehr gefallen, als irgend ein anderer, den er
jemals geſehen hatte; und das, in immerzunehmen-
dem
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Zitationshilfe: | Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/172>, abgerufen am 16.07.2024. |