Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.Neuntes Buch, fünftes Capitel. Herzens den Namen eines Weisen verdient, wenn ihnein Sterblicher verdienen kan, ungeachtet seines Stan- des den Muth gehabt hat, in seiner critischen Geschichte der Philosophie diesem würdigen Schüler des Socrates Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen. Ohne uns also um Aristipps Lehrsäze zu bekümmern, Meister L 3
Neuntes Buch, fuͤnftes Capitel. Herzens den Namen eines Weiſen verdient, wenn ihnein Sterblicher verdienen kan, ungeachtet ſeines Stan- des den Muth gehabt hat, in ſeiner critiſchen Geſchichte der Philoſophie dieſem wuͤrdigen Schuͤler des Socrates Gerechtigkeit wiederfahren zu laſſen. Ohne uns alſo um Ariſtipps Lehrſaͤze zu bekuͤmmern, Meiſter L 3
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Neuntes Buch, fuͤnftes Capitel.
Herzens den Namen eines Weiſen verdient, wenn ihn
ein Sterblicher verdienen kan, ungeachtet ſeines Stan-
des den Muth gehabt hat, in ſeiner critiſchen Geſchichte
der Philoſophie dieſem wuͤrdigen Schuͤler des Socrates
Gerechtigkeit wiederfahren zu laſſen.
Ohne uns alſo um Ariſtipps Lehrſaͤze zu bekuͤmmern,
begnuͤgen wir uns, von ſeinem perſoͤnlichen Character
ſo viel zu ſagen als man wiſſen muß, um die Perſon,
die er an Dionyſens Hofe vorſtellte, richtiger beurthei-
len zu koͤnnen. Unter allen den vorgeblichen Weiſen,
welche ſich damals an dieſem Hofe befanden, war er
der einzige, der keine heimliche Abſichten auf die Frey-
gebigkeit des Prinzen hatte; ob er ſich gleich kein Be-
denken machte, Geſchenke von ihm anzunehmen, die
er nicht durch paraſitiſche Niedertraͤchtigkeiten erkauffte.
Durch ſeine natuͤrliche Denkungs-Art eben ſo ſehr als
durch ſeine, in der That ziemlich gemaͤchliche Philo-
ſophie, von Ambition und Geldgierigkeit gleich entfernt,
bediente er ſich eines zulaͤnglichen Erbguts, (welches er
bey Gelegenheit durch den erlaubten Vortheil, den er
von ſeinen Talenten zog, zu vermehren wußte) um,
nach ſeiner Neigung, mehr einen Zuſchauer als einen
Acteur auf dem Schauplaz der Welt vorzuſtellen. Da
er einer der beſten Koͤpfe ſeiner Zeit war, ſo gab ihm
dieſe Freyheit, worinn er ſich ſein ganzes Leben durch
erhielt, Gelegenheit ſich einen Grad von Einſicht zu er-
werben, der ihn zu einem ſcharfen und ſichern Beurthei-
ler aller Gegenſtaͤnde des menſchlichen Lebens machte.
Meiſter
L 3
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