Dieser Tyrann, dessen natürliche Eitelkeit durch die Discurse des Atheniensischen Weisen zu einer heftigen Ruhmbegierde aufgeschwollen war, hatte sich unter an- dern Schwachheiten in den Kopf gesezt, für einen Gön- ner der Gelehrten, für einen Kenner, und so gar für einen der schönen Geister seiner Zeit gehalten zu werden. Er war sehr bekümmert, daß Plato und Dion den Griechen, denen er vorzüglich zu gefallen begierig war, die gute Meynung wieder benehmen möchten, welche man von ihm zu fassen angefangen hatte; und diese Furcht scheint einer von den stärksten Beweggründen ge- wesen zu seyn, warum er den Plato bey ihrer Tren- nung mit so vieler Freundschaft überhäuft hatte. Er ließ es nicht dabey bewenden. Philistus sagte ihm, daß Griechenland eine Menge von speculativen Müssig- gängern habe, welche so berühmt als Plato, und zum theil geschikter seyen, einen Prinzen bey Tische oder in verlohrnen Augenbliken zu belustigen als dieser Mann, der die Schwachheit habe ein lächerlich ehrwürdiges Mit- telding zwischen einem Egyptischen Priester, und einem Staatsmanne vorzustellen, und seine unverständlich-er- habene Grillen für Grundsäze, wornach die Welt regiert werden müsse, auszugeben. Er bewies ihm mit den Beyspielen seiner eigenen Vorfahren, daß ein Fürst sich den Ruhm eines unvergleichlichen Regenten nicht wol- feiler anschaffen könne, als indem er Philosophen und Poeten in seinen Schuz nehme; Leute, welche für die Ehre seine Tischgenossen zu seyn, oder für ein mässiges Gehalt, bereit seyen, alle ihre Talente ohne Maß und
Ziel
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Neuntes Buch, viertes Capitel.
Dieſer Tyrann, deſſen natuͤrliche Eitelkeit durch die Diſcurſe des Athenienſiſchen Weiſen zu einer heftigen Ruhmbegierde aufgeſchwollen war, hatte ſich unter an- dern Schwachheiten in den Kopf geſezt, fuͤr einen Goͤn- ner der Gelehrten, fuͤr einen Kenner, und ſo gar fuͤr einen der ſchoͤnen Geiſter ſeiner Zeit gehalten zu werden. Er war ſehr bekuͤmmert, daß Plato und Dion den Griechen, denen er vorzuͤglich zu gefallen begierig war, die gute Meynung wieder benehmen moͤchten, welche man von ihm zu faſſen angefangen hatte; und dieſe Furcht ſcheint einer von den ſtaͤrkſten Beweggruͤnden ge- weſen zu ſeyn, warum er den Plato bey ihrer Tren- nung mit ſo vieler Freundſchaft uͤberhaͤuft hatte. Er ließ es nicht dabey bewenden. Philiſtus ſagte ihm, daß Griechenland eine Menge von ſpeculativen Muͤſſig- gaͤngern habe, welche ſo beruͤhmt als Plato, und zum theil geſchikter ſeyen, einen Prinzen bey Tiſche oder in verlohrnen Augenbliken zu beluſtigen als dieſer Mann, der die Schwachheit habe ein laͤcherlich ehrwuͤrdiges Mit- telding zwiſchen einem Egyptiſchen Prieſter, und einem Staatsmanne vorzuſtellen, und ſeine unverſtaͤndlich-er- habene Grillen fuͤr Grundſaͤze, wornach die Welt regiert werden muͤſſe, auszugeben. Er bewies ihm mit den Beyſpielen ſeiner eigenen Vorfahren, daß ein Fuͤrſt ſich den Ruhm eines unvergleichlichen Regenten nicht wol- feiler anſchaffen koͤnne, als indem er Philoſophen und Poeten in ſeinen Schuz nehme; Leute, welche fuͤr die Ehre ſeine Tiſchgenoſſen zu ſeyn, oder fuͤr ein maͤſſiges Gehalt, bereit ſeyen, alle ihre Talente ohne Maß und
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Neuntes Buch, viertes Capitel.
Dieſer Tyrann, deſſen natuͤrliche Eitelkeit durch die
Diſcurſe des Athenienſiſchen Weiſen zu einer heftigen
Ruhmbegierde aufgeſchwollen war, hatte ſich unter an-
dern Schwachheiten in den Kopf geſezt, fuͤr einen Goͤn-
ner der Gelehrten, fuͤr einen Kenner, und ſo gar fuͤr
einen der ſchoͤnen Geiſter ſeiner Zeit gehalten zu werden.
Er war ſehr bekuͤmmert, daß Plato und Dion den
Griechen, denen er vorzuͤglich zu gefallen begierig war,
die gute Meynung wieder benehmen moͤchten, welche
man von ihm zu faſſen angefangen hatte; und dieſe
Furcht ſcheint einer von den ſtaͤrkſten Beweggruͤnden ge-
weſen zu ſeyn, warum er den Plato bey ihrer Tren-
nung mit ſo vieler Freundſchaft uͤberhaͤuft hatte. Er
ließ es nicht dabey bewenden. Philiſtus ſagte ihm,
daß Griechenland eine Menge von ſpeculativen Muͤſſig-
gaͤngern habe, welche ſo beruͤhmt als Plato, und zum
theil geſchikter ſeyen, einen Prinzen bey Tiſche oder in
verlohrnen Augenbliken zu beluſtigen als dieſer Mann,
der die Schwachheit habe ein laͤcherlich ehrwuͤrdiges Mit-
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habene Grillen fuͤr Grundſaͤze, wornach die Welt regiert
werden muͤſſe, auszugeben. Er bewies ihm mit den
Beyſpielen ſeiner eigenen Vorfahren, daß ein Fuͤrſt ſich
den Ruhm eines unvergleichlichen Regenten nicht wol-
feiler anſchaffen koͤnne, als indem er Philoſophen und
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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/149>, abgerufen am 22.11.2024.
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