Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767.Agathon. keit angenommen, womit sie eine Maskeraden-Kleidungangezogen hätten. Sie waren die ersten, die dem üb- rigen Hofe hierinn mit ihrem Beyspiel vorgiengen; sie verdoppelten ihre Aufwartung bey dem Prinzen Dion, dessen Ansehen seit Platons Ankunft ungemein gestiegen war; sie waren die erklärten Bewunderer des Philo- sophen; sie lächelten ihm Beyfall entgegen, so bald er nur der Mund aufthat; alle seine Vorschläge und Maß- nehmungen waren bewundernswürdig; sie wußten nichts daran auszusezen, oder wenn sie ja Einwürfe machten, so war es nur um sich belehren zu lassen, und auf die erste Antwort sich seiner höhern Weisheit überwunden zu geben. Sie suchten seine Freundschaft so gar mit einem Eifer, worüber sie den Fürsten selbst zu vernach- lässigen schienen; und besonders liessen sie sich sehr ange- legen seyn, die Vorurtheile zu zerstreuen, die man von der vorigen Staats-Verwaltung wider sie gefaßt haben könnte. Durch diese Kunstgriffe erreichten sie zwar die Absicht, den weisen Plato sicher zu machen, nicht so vollkommen, daß er nicht immer einiges gerechtes Miß- trauen in die Aufrichtigkeit ihres Bezeugens gesezt hätte; er beobachtete sie genau; allein da sie gar nicht zweifel- ten, daß er es thun würde, so war es ihnen leicht da- vor zu seyn, daß er mit aller seiner Scharfsichtigkeit nichts sah. Sie vermieden alles, was ihrem Betra- gen einen Schein von Zurükhaltung, Zweydeutigkeit und Geheimniß hätte geben können, und nahmen ein so natürliches und einfaches Wesen an, daß man ent- weder ihres gleichen seyn, oder betrogen werden mußte. Diese
Agathon. keit angenommen, womit ſie eine Maskeraden-Kleidungangezogen haͤtten. Sie waren die erſten, die dem uͤb- rigen Hofe hierinn mit ihrem Beyſpiel vorgiengen; ſie verdoppelten ihre Aufwartung bey dem Prinzen Dion, deſſen Anſehen ſeit Platons Ankunft ungemein geſtiegen war; ſie waren die erklaͤrten Bewunderer des Philo- ſophen; ſie laͤchelten ihm Beyfall entgegen, ſo bald er nur der Mund aufthat; alle ſeine Vorſchlaͤge und Maß- nehmungen waren bewundernswuͤrdig; ſie wußten nichts daran auszuſezen, oder wenn ſie ja Einwuͤrfe machten, ſo war es nur um ſich belehren zu laſſen, und auf die erſte Antwort ſich ſeiner hoͤhern Weisheit uͤberwunden zu geben. Sie ſuchten ſeine Freundſchaft ſo gar mit einem Eifer, woruͤber ſie den Fuͤrſten ſelbſt zu vernach- laͤſſigen ſchienen; und beſonders lieſſen ſie ſich ſehr ange- legen ſeyn, die Vorurtheile zu zerſtreuen, die man von der vorigen Staats-Verwaltung wider ſie gefaßt haben koͤnnte. Durch dieſe Kunſtgriffe erreichten ſie zwar die Abſicht, den weiſen Plato ſicher zu machen, nicht ſo vollkommen, daß er nicht immer einiges gerechtes Miß- trauen in die Aufrichtigkeit ihres Bezeugens geſezt haͤtte; er beobachtete ſie genau; allein da ſie gar nicht zweifel- ten, daß er es thun wuͤrde, ſo war es ihnen leicht da- vor zu ſeyn, daß er mit aller ſeiner Scharfſichtigkeit nichts ſah. Sie vermieden alles, was ihrem Betra- gen einen Schein von Zuruͤkhaltung, Zweydeutigkeit und Geheimniß haͤtte geben koͤnnen, und nahmen ein ſo natuͤrliches und einfaches Weſen an, daß man ent- weder ihres gleichen ſeyn, oder betrogen werden mußte. Dieſe
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0120" n="118"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Agathon.</hi></hi></fw><lb/> keit angenommen, womit ſie eine Maskeraden-Kleidung<lb/> angezogen haͤtten. Sie waren die erſten, die dem uͤb-<lb/> rigen Hofe hierinn mit ihrem Beyſpiel vorgiengen; ſie<lb/> verdoppelten ihre Aufwartung bey dem Prinzen Dion,<lb/> deſſen Anſehen ſeit Platons Ankunft ungemein geſtiegen<lb/> war; ſie waren die erklaͤrten Bewunderer des Philo-<lb/> ſophen; ſie laͤchelten ihm Beyfall entgegen, ſo bald er<lb/> nur der Mund aufthat; alle ſeine Vorſchlaͤge und Maß-<lb/> nehmungen waren bewundernswuͤrdig; ſie wußten nichts<lb/> daran auszuſezen, oder wenn ſie ja Einwuͤrfe machten,<lb/> ſo war es nur um ſich belehren zu laſſen, und auf die<lb/> erſte Antwort ſich ſeiner hoͤhern Weisheit uͤberwunden<lb/> zu geben. Sie ſuchten ſeine Freundſchaft ſo gar mit<lb/> einem Eifer, woruͤber ſie den Fuͤrſten ſelbſt zu vernach-<lb/> laͤſſigen ſchienen; und beſonders lieſſen ſie ſich ſehr ange-<lb/> legen ſeyn, die Vorurtheile zu zerſtreuen, die man von<lb/> der vorigen Staats-Verwaltung wider ſie gefaßt haben<lb/> koͤnnte. Durch dieſe Kunſtgriffe erreichten ſie zwar die<lb/> Abſicht, den weiſen Plato ſicher zu machen, nicht ſo<lb/> vollkommen, daß er nicht immer einiges gerechtes Miß-<lb/> trauen in die Aufrichtigkeit ihres Bezeugens geſezt haͤtte;<lb/> er beobachtete ſie genau; allein da ſie gar nicht zweifel-<lb/> ten, daß er es thun wuͤrde, ſo war es ihnen leicht da-<lb/> vor zu ſeyn, daß er mit aller ſeiner Scharfſichtigkeit<lb/> nichts ſah. Sie vermieden alles, was ihrem Betra-<lb/> gen einen Schein von Zuruͤkhaltung, Zweydeutigkeit<lb/> und Geheimniß haͤtte geben koͤnnen, und nahmen ein<lb/> ſo natuͤrliches und einfaches Weſen an, daß man ent-<lb/> weder ihres gleichen ſeyn, oder betrogen werden mußte.<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Dieſe</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [118/0120]
Agathon.
keit angenommen, womit ſie eine Maskeraden-Kleidung
angezogen haͤtten. Sie waren die erſten, die dem uͤb-
rigen Hofe hierinn mit ihrem Beyſpiel vorgiengen; ſie
verdoppelten ihre Aufwartung bey dem Prinzen Dion,
deſſen Anſehen ſeit Platons Ankunft ungemein geſtiegen
war; ſie waren die erklaͤrten Bewunderer des Philo-
ſophen; ſie laͤchelten ihm Beyfall entgegen, ſo bald er
nur der Mund aufthat; alle ſeine Vorſchlaͤge und Maß-
nehmungen waren bewundernswuͤrdig; ſie wußten nichts
daran auszuſezen, oder wenn ſie ja Einwuͤrfe machten,
ſo war es nur um ſich belehren zu laſſen, und auf die
erſte Antwort ſich ſeiner hoͤhern Weisheit uͤberwunden
zu geben. Sie ſuchten ſeine Freundſchaft ſo gar mit
einem Eifer, woruͤber ſie den Fuͤrſten ſelbſt zu vernach-
laͤſſigen ſchienen; und beſonders lieſſen ſie ſich ſehr ange-
legen ſeyn, die Vorurtheile zu zerſtreuen, die man von
der vorigen Staats-Verwaltung wider ſie gefaßt haben
koͤnnte. Durch dieſe Kunſtgriffe erreichten ſie zwar die
Abſicht, den weiſen Plato ſicher zu machen, nicht ſo
vollkommen, daß er nicht immer einiges gerechtes Miß-
trauen in die Aufrichtigkeit ihres Bezeugens geſezt haͤtte;
er beobachtete ſie genau; allein da ſie gar nicht zweifel-
ten, daß er es thun wuͤrde, ſo war es ihnen leicht da-
vor zu ſeyn, daß er mit aller ſeiner Scharfſichtigkeit
nichts ſah. Sie vermieden alles, was ihrem Betra-
gen einen Schein von Zuruͤkhaltung, Zweydeutigkeit
und Geheimniß haͤtte geben koͤnnen, und nahmen ein
ſo natuͤrliches und einfaches Weſen an, daß man ent-
weder ihres gleichen ſeyn, oder betrogen werden mußte.
Dieſe
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |