muthen war, sich über sich selbst zu erzürnen. Leute von seiner Art würden eher die halbe Welt untergehen sehen, eh sie sich nur gestehen würden, daß sie gefehlt hätten. Es war also natürlich, daß er darauf bedacht war, sich durch das Vergnügen der Rache für den Ab- gang desjenigen zu entschädigen, welches er sich von der vermeynten und verhofften Bekehrung unsers Helden ver- sprochen hatte.
Agathon liebte die schöne Danae, weil sie, selbst nachdem der äusserste Grad der Bezauberung aufgehört hatte, in seinen Augen noch immer das vollkommenste Geschöpfe war, das er kannte. Was für ein Geist! was für ein Herz! was für seltene Talente! welche An- muth in ihrem Umgang! was für eine Manchfaltigkeit von Vorzügen und Reizungen! wie hochachtungswerth mußte sie das alles ihm machen! wie vortheilhaft war ihr die Erinnerung an jeden Augenblik, von dem ersten an, da er sie gesehen, bis zu demjenigen, da sie von sympathetischer Liebe überwältiget die seinige glüklich ge- macht hatte! Kurz alles was er von ihr wußte, war zu ihrem Vortheil, und von allem was seine Hochschä- zuug hätte schwächen können, wußte er nichts.
Man kan sich leicht vorstellen, daß sie so unvorsich- tig nicht gewesen seyn werde, sich selbst zu verrathen. Es ist wahr, sie hatte sich nicht entbrechen können, die vertraute Erzählung, welche er ihr von seinem Lebens-
Lauf
Agathon.
muthen war, ſich uͤber ſich ſelbſt zu erzuͤrnen. Leute von ſeiner Art wuͤrden eher die halbe Welt untergehen ſehen, eh ſie ſich nur geſtehen wuͤrden, daß ſie gefehlt haͤtten. Es war alſo natuͤrlich, daß er darauf bedacht war, ſich durch das Vergnuͤgen der Rache fuͤr den Ab- gang desjenigen zu entſchaͤdigen, welches er ſich von der vermeynten und verhofften Bekehrung unſers Helden ver- ſprochen hatte.
Agathon liebte die ſchoͤne Danae, weil ſie, ſelbſt nachdem der aͤuſſerſte Grad der Bezauberung aufgehoͤrt hatte, in ſeinen Augen noch immer das vollkommenſte Geſchoͤpfe war, das er kannte. Was fuͤr ein Geiſt! was fuͤr ein Herz! was fuͤr ſeltene Talente! welche An- muth in ihrem Umgang! was fuͤr eine Manchfaltigkeit von Vorzuͤgen und Reizungen! wie hochachtungswerth mußte ſie das alles ihm machen! wie vortheilhaft war ihr die Erinnerung an jeden Augenblik, von dem erſten an, da er ſie geſehen, bis zu demjenigen, da ſie von ſympathetiſcher Liebe uͤberwaͤltiget die ſeinige gluͤklich ge- macht hatte! Kurz alles was er von ihr wußte, war zu ihrem Vortheil, und von allem was ſeine Hochſchaͤ- zuug haͤtte ſchwaͤchen koͤnnen, wußte er nichts.
Man kan ſich leicht vorſtellen, daß ſie ſo unvorſich- tig nicht geweſen ſeyn werde, ſich ſelbſt zu verrathen. Es iſt wahr, ſie hatte ſich nicht entbrechen koͤnnen, die vertraute Erzaͤhlung, welche er ihr von ſeinem Lebens-
Lauf
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Agathon.
muthen war, ſich uͤber ſich ſelbſt zu erzuͤrnen. Leute
von ſeiner Art wuͤrden eher die halbe Welt untergehen
ſehen, eh ſie ſich nur geſtehen wuͤrden, daß ſie gefehlt
haͤtten. Es war alſo natuͤrlich, daß er darauf bedacht
war, ſich durch das Vergnuͤgen der Rache fuͤr den Ab-
gang desjenigen zu entſchaͤdigen, welches er ſich von der
vermeynten und verhofften Bekehrung unſers Helden ver-
ſprochen hatte.
Agathon liebte die ſchoͤne Danae, weil ſie, ſelbſt
nachdem der aͤuſſerſte Grad der Bezauberung aufgehoͤrt
hatte, in ſeinen Augen noch immer das vollkommenſte
Geſchoͤpfe war, das er kannte. Was fuͤr ein Geiſt!
was fuͤr ein Herz! was fuͤr ſeltene Talente! welche An-
muth in ihrem Umgang! was fuͤr eine Manchfaltigkeit
von Vorzuͤgen und Reizungen! wie hochachtungswerth
mußte ſie das alles ihm machen! wie vortheilhaft war
ihr die Erinnerung an jeden Augenblik, von dem erſten
an, da er ſie geſehen, bis zu demjenigen, da ſie von
ſympathetiſcher Liebe uͤberwaͤltiget die ſeinige gluͤklich ge-
macht hatte! Kurz alles was er von ihr wußte, war
zu ihrem Vortheil, und von allem was ſeine Hochſchaͤ-
zuug haͤtte ſchwaͤchen koͤnnen, wußte er nichts.
Man kan ſich leicht vorſtellen, daß ſie ſo unvorſich-
tig nicht geweſen ſeyn werde, ſich ſelbſt zu verrathen.
Es iſt wahr, ſie hatte ſich nicht entbrechen koͤnnen, die
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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 2. Frankfurt (Main) u. a., 1767, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon02_1767/10>, abgerufen am 16.07.2024.
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