Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766.Zweytes Buch, achtes Capitel. seinem neuen Schüler gebrauchen müsse; und da er selbstvon seinem System besser überzeugt war, als irgend ein Bonze von der Kraft der Amulete, die er seinen dank- baren Glaübigen austheilt, so zweifelte er nicht, daß Agathon durch einen freymüthigen Vortrag besser zu gewinnen seyn würde, als durch die rednerischen Kunst- griffe, deren er sich bey schwächern Seelen mit gutem Erfolg zu bedienen pflegte. Sobald also das Frühstük genommen, und die beschämte Cyane abgetreten war, fieng er nach einem kleinen Vorbereitungs-Gespräch, den merkwürdigen Diseurs an, durch dessen vollstän- dige Mittheilung wir desto mehr Dank zu verdienen hof- fen, da wir von Kennern versichert worden, daß der geheime Verstand desselben den buchstäblichen an Wich- tigkeit noch weit übertreffe, und der wahre und unfehl- bare Proceß, den Stein der Weisen zu finden, darinn verborgen liege. Aga-
Zweytes Buch, achtes Capitel. ſeinem neuen Schuͤler gebrauchen muͤſſe; und da er ſelbſtvon ſeinem Syſtem beſſer uͤberzeugt war, als irgend ein Bonze von der Kraft der Amulete, die er ſeinen dank- baren Glauͤbigen austheilt, ſo zweifelte er nicht, daß Agathon durch einen freymuͤthigen Vortrag beſſer zu gewinnen ſeyn wuͤrde, als durch die redneriſchen Kunſt- griffe, deren er ſich bey ſchwaͤchern Seelen mit gutem Erfolg zu bedienen pflegte. Sobald alſo das Fruͤhſtuͤk genommen, und die beſchaͤmte Cyane abgetreten war, fieng er nach einem kleinen Vorbereitungs-Geſpraͤch, den merkwuͤrdigen Diſeurs an, durch deſſen vollſtaͤn- dige Mittheilung wir deſto mehr Dank zu verdienen hof- fen, da wir von Kennern verſichert worden, daß der geheime Verſtand deſſelben den buchſtaͤblichen an Wich- tigkeit noch weit uͤbertreffe, und der wahre und unfehl- bare Proceß, den Stein der Weiſen zu finden, darinn verborgen liege. Aga-
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Zweytes Buch, achtes Capitel.
ſeinem neuen Schuͤler gebrauchen muͤſſe; und da er ſelbſt
von ſeinem Syſtem beſſer uͤberzeugt war, als irgend ein
Bonze von der Kraft der Amulete, die er ſeinen dank-
baren Glauͤbigen austheilt, ſo zweifelte er nicht, daß
Agathon durch einen freymuͤthigen Vortrag beſſer zu
gewinnen ſeyn wuͤrde, als durch die redneriſchen Kunſt-
griffe, deren er ſich bey ſchwaͤchern Seelen mit gutem
Erfolg zu bedienen pflegte. Sobald alſo das Fruͤhſtuͤk
genommen, und die beſchaͤmte Cyane abgetreten war,
fieng er nach einem kleinen Vorbereitungs-Geſpraͤch,
den merkwuͤrdigen Diſeurs an, durch deſſen vollſtaͤn-
dige Mittheilung wir deſto mehr Dank zu verdienen hof-
fen, da wir von Kennern verſichert worden, daß der
geheime Verſtand deſſelben den buchſtaͤblichen an Wich-
tigkeit noch weit uͤbertreffe, und der wahre und unfehl-
bare Proceß, den Stein der Weiſen zu finden, darinn
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Zitationshilfe: | Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/99>, abgerufen am 16.02.2025. |