Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766.Agathon. wo alles Freude athmete, sehr lange Weile hatte. Zwarlag die Schuld nur an ihm selbst, wenn es ihm an ei- nem Zeit-Vertreib mangelte, der sonst die hauptsäch- lichste Beschäftigung der Leute von seinem Alter auszu- machen pflegt. Die Nymfen dieses Hauses waren von einer so gefälligen Gemüths-Art, von einer so anzie- henden Figur, und von einem so günstigen Vorurtheil für den neuen Haus-Genossen eingenommen, daß es weder die Furcht abgewiesen zu werden, noch der Feh- ler ihrer Reizungen war, was den schönen Callias so zurükhaltend oder unempfindlich machte. Verschiedene, die aus seinem Betragen schlossen, daß wider
Agathon. wo alles Freude athmete, ſehr lange Weile hatte. Zwarlag die Schuld nur an ihm ſelbſt, wenn es ihm an ei- nem Zeit-Vertreib mangelte, der ſonſt die hauptſaͤch- lichſte Beſchaͤftigung der Leute von ſeinem Alter auszu- machen pflegt. Die Nymfen dieſes Hauſes waren von einer ſo gefaͤlligen Gemuͤths-Art, von einer ſo anzie- henden Figur, und von einem ſo guͤnſtigen Vorurtheil fuͤr den neuen Haus-Genoſſen eingenommen, daß es weder die Furcht abgewieſen zu werden, noch der Feh- ler ihrer Reizungen war, was den ſchoͤnen Callias ſo zuruͤkhaltend oder unempfindlich machte. Verſchiedene, die aus ſeinem Betragen ſchloſſen, daß wider
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Agathon.
wo alles Freude athmete, ſehr lange Weile hatte. Zwar
lag die Schuld nur an ihm ſelbſt, wenn es ihm an ei-
nem Zeit-Vertreib mangelte, der ſonſt die hauptſaͤch-
lichſte Beſchaͤftigung der Leute von ſeinem Alter auszu-
machen pflegt. Die Nymfen dieſes Hauſes waren von
einer ſo gefaͤlligen Gemuͤths-Art, von einer ſo anzie-
henden Figur, und von einem ſo guͤnſtigen Vorurtheil
fuͤr den neuen Haus-Genoſſen eingenommen, daß es
weder die Furcht abgewieſen zu werden, noch der Feh-
ler ihrer Reizungen war, was den ſchoͤnen Callias ſo
zuruͤkhaltend oder unempfindlich machte.
Verſchiedene, die aus ſeinem Betragen ſchloſſen, daß
er noch ein Neuling ſeyn muͤſſe, lieſſen ſich die Muͤhe
nicht dauern, ihm die Schwierigkeiten, die ihm ſeine
Schuͤchternheit, ihren Gedanken nach, in den Weg
legte, zu erleichtern; und gaben ihm Gelegenheiten, die
den Zaghafteſten haͤtten unternehmend machen ſollen.
Allein (wir muͤſſen es nur geſtehen, was man auch von
unſerm Helden deswegen denken mag) er gab ſich eben
ſo viel Muͤhe, dieſe Gelegenheiten auszuweichen, als
man ſich geben konnte, ſie ihm zu machen. Wenn
dieſes anzuzeigen ſcheint, daß er entweder einiges Miß-
trauen in ſich ſelbſt, oder ein allzugroſſes Vertrauen in
die Reizungen dieſer ſchoͤnen Verfuͤhrerinnen geſezt ha-
be, ſo dienet vielleicht zu ſeiner Entſchuldigung, daß er
noch nicht alt genug war, ein Xenocrates zu ſeyn; und
daß er, vermuthlich nicht ohne Urſache, ein Vorurtheil
wider
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