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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766.

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Agathon,
lichen und anständigsten Waffen ihres Geschlechts ver-
theidigen konnten. Allein diese Cilicier waren allzusehr
Seeräuber, als daß sie auf die Thränen und Bitten,
noch selbst auf die Reizungen dieser Schönen einige Ach-
tung gemacht hätten, welche doch in diesem Augenblik, da
Schrecken und Zagheit ihnen die Weiblichkeit (wenn es
erlaubt ist, dieses Wort einem großen Dichterabzuborgen)
wiedergegeben hatte, selbst dem sittsamen Agathon so
verführerisch vorkamen, daß er vor gut befand, seine nicht
gerne gehorchende Augen an den Boden zu heften.
Allein die Räuber hatten izt andre Sorgen, und waren
nur darauf bedacht, wie sie ihre Beute aufs schleunigste
in Sicherheit bringen möchten. Und so entgieng
Agathon, für etliche nicht allzufeine Scherze über die
Gesellschaft, worinn man ihn gefunden hatte, und für
seine Freyheit, einer Gefahr, aus der er seinen Ge-
danken nach sich nicht zu theuer loskaufen konnte. Der
Verlust der Freyheit schien ihn in den Umständen worinn
er war, wenig zu bekümmern; und in der That, da er
alles übrige verlohren hatte, was die Freyheit schäzbar
macht, so hatte er wenig Ursache sich wegen eines Ver-
lusts zu kränken, der ihm wenigstens eine Veränderung
im Unglük versprach.

Vier-

Agathon,
lichen und anſtaͤndigſten Waffen ihres Geſchlechts ver-
theidigen konnten. Allein dieſe Cilicier waren allzuſehr
Seeraͤuber, als daß ſie auf die Thraͤnen und Bitten,
noch ſelbſt auf die Reizungen dieſer Schoͤnen einige Ach-
tung gemacht haͤtten, welche doch in dieſem Augenblik, da
Schrecken und Zagheit ihnen die Weiblichkeit (wenn es
erlaubt iſt, dieſes Wort einem großen Dichterabzuborgen)
wiedergegeben hatte, ſelbſt dem ſittſamen Agathon ſo
verfuͤhreriſch vorkamen, daß er vor gut befand, ſeine nicht
gerne gehorchende Augen an den Boden zu heften.
Allein die Raͤuber hatten izt andre Sorgen, und waren
nur darauf bedacht, wie ſie ihre Beute aufs ſchleunigſte
in Sicherheit bringen moͤchten. Und ſo entgieng
Agathon, fuͤr etliche nicht allzufeine Scherze uͤber die
Geſellſchaft, worinn man ihn gefunden hatte, und fuͤr
ſeine Freyheit, einer Gefahr, aus der er ſeinen Ge-
danken nach ſich nicht zu theuer loskaufen konnte. Der
Verluſt der Freyheit ſchien ihn in den Umſtaͤnden worinn
er war, wenig zu bekuͤmmern; und in der That, da er
alles uͤbrige verlohren hatte, was die Freyheit ſchaͤzbar
macht, ſo hatte er wenig Urſache ſich wegen eines Ver-
luſts zu kraͤnken, der ihm wenigſtens eine Veraͤnderung
im Ungluͤk verſprach.

Vier-
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[12/0034] Agathon, lichen und anſtaͤndigſten Waffen ihres Geſchlechts ver- theidigen konnten. Allein dieſe Cilicier waren allzuſehr Seeraͤuber, als daß ſie auf die Thraͤnen und Bitten, noch ſelbſt auf die Reizungen dieſer Schoͤnen einige Ach- tung gemacht haͤtten, welche doch in dieſem Augenblik, da Schrecken und Zagheit ihnen die Weiblichkeit (wenn es erlaubt iſt, dieſes Wort einem großen Dichterabzuborgen) wiedergegeben hatte, ſelbſt dem ſittſamen Agathon ſo verfuͤhreriſch vorkamen, daß er vor gut befand, ſeine nicht gerne gehorchende Augen an den Boden zu heften. Allein die Raͤuber hatten izt andre Sorgen, und waren nur darauf bedacht, wie ſie ihre Beute aufs ſchleunigſte in Sicherheit bringen moͤchten. Und ſo entgieng Agathon, fuͤr etliche nicht allzufeine Scherze uͤber die Geſellſchaft, worinn man ihn gefunden hatte, und fuͤr ſeine Freyheit, einer Gefahr, aus der er ſeinen Ge- danken nach ſich nicht zu theuer loskaufen konnte. Der Verluſt der Freyheit ſchien ihn in den Umſtaͤnden worinn er war, wenig zu bekuͤmmern; und in der That, da er alles uͤbrige verlohren hatte, was die Freyheit ſchaͤzbar macht, ſo hatte er wenig Urſache ſich wegen eines Ver- luſts zu kraͤnken, der ihm wenigſtens eine Veraͤnderung im Ungluͤk verſprach. Vier-

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/34>, abgerufen am 24.11.2024.