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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766.

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Sechstes Buch, erstes Capitel.
rükhaltungen, schöne Danae, die Würkungen zeugen
von ihren Ursachen; ein grosses Werk sezt grosse An-
stalten voraus; wenn ein Callias dahin gebracht wird,
daß er wie ein Liebling der Venus herausgepuzt ist,
daß er mit einer Sybaritischen Zunge von der Niedlich-
keit der Speisen und dem Geschmak der Weine urtheilt;
daß er die wollüstigsten Läuffe eines in Liebe schmelzen-
den Liedes mit entzüktem Händeklatschen wiederholen
heißt, und sich die Trinkschale von einer jungen Circas-
serin mit unverhülltem Busen eben so gleichgültig rei-
chen läßt, als er sich in die weichen Polster eines Per-
sischen Ruhebettes hineinsenkt -- wahrhaftig, schö-
ne Danae, das nenn ich eine Verwandlung, welche in
so kurzer Zeit zu bewerkstelligen, ich keiner von allen un-
sterblichen Göttinnen zugetraut hätte. Jch weiß nicht,
was du damit sagen willst, erwiederte Danae mit einer
angenommenen Zerstreuung; mich däucht nichts natür-
lichers, als alles, worüber du dich so verwundert stellst;
und gesezt, daß du dich in deinem Urtheil von Callias
betrogen hättest, ist es seine Schuld? Wenn ich dir die
Wahrheit sagen soll, so kan nichts unähnlichers seyn,
als wie du ihn mir abgeschildert und wie ich ihn ge-
funden habe. Du machtest mich einen Pedantischen Tho-
ren, den Gegenstand einer Comödie erwarten, und ich
wiederhohle es, du magst über mich lachen so lange
du willt, Alcibiades selbst im Frühling seiner Jahre
und Reizungen war nicht liebenswürdiger als derjenige,
den du mir für ein comisches Mittelding von einem
Phantasten und von einer Bildsäule gegeben hast.

Wenn
[Agath. I. Th.] P

Sechstes Buch, erſtes Capitel.
ruͤkhaltungen, ſchoͤne Danae, die Wuͤrkungen zeugen
von ihren Urſachen; ein groſſes Werk ſezt groſſe An-
ſtalten voraus; wenn ein Callias dahin gebracht wird,
daß er wie ein Liebling der Venus herausgepuzt iſt,
daß er mit einer Sybaritiſchen Zunge von der Niedlich-
keit der Speiſen und dem Geſchmak der Weine urtheilt;
daß er die wolluͤſtigſten Laͤuffe eines in Liebe ſchmelzen-
den Liedes mit entzuͤktem Haͤndeklatſchen wiederholen
heißt, und ſich die Trinkſchale von einer jungen Circaſ-
ſerin mit unverhuͤlltem Buſen eben ſo gleichguͤltig rei-
chen laͤßt, als er ſich in die weichen Polſter eines Per-
ſiſchen Ruhebettes hineinſenkt — wahrhaftig, ſchoͤ-
ne Danae, das nenn ich eine Verwandlung, welche in
ſo kurzer Zeit zu bewerkſtelligen, ich keiner von allen un-
ſterblichen Goͤttinnen zugetraut haͤtte. Jch weiß nicht,
was du damit ſagen willſt, erwiederte Danae mit einer
angenommenen Zerſtreuung; mich daͤucht nichts natuͤr-
lichers, als alles, woruͤber du dich ſo verwundert ſtellſt;
und geſezt, daß du dich in deinem Urtheil von Callias
betrogen haͤtteſt, iſt es ſeine Schuld? Wenn ich dir die
Wahrheit ſagen ſoll, ſo kan nichts unaͤhnlichers ſeyn,
als wie du ihn mir abgeſchildert und wie ich ihn ge-
funden habe. Du machteſt mich einen Pedantiſchen Tho-
ren, den Gegenſtand einer Comoͤdie erwarten, und ich
wiederhohle es, du magſt uͤber mich lachen ſo lange
du willt, Alcibiades ſelbſt im Fruͤhling ſeiner Jahre
und Reizungen war nicht liebenswuͤrdiger als derjenige,
den du mir fuͤr ein comiſches Mittelding von einem
Phantaſten und von einer Bildſaͤule gegeben haſt.

Wenn
[Agath. I. Th.] P
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[225/0247] Sechstes Buch, erſtes Capitel. ruͤkhaltungen, ſchoͤne Danae, die Wuͤrkungen zeugen von ihren Urſachen; ein groſſes Werk ſezt groſſe An- ſtalten voraus; wenn ein Callias dahin gebracht wird, daß er wie ein Liebling der Venus herausgepuzt iſt, daß er mit einer Sybaritiſchen Zunge von der Niedlich- keit der Speiſen und dem Geſchmak der Weine urtheilt; daß er die wolluͤſtigſten Laͤuffe eines in Liebe ſchmelzen- den Liedes mit entzuͤktem Haͤndeklatſchen wiederholen heißt, und ſich die Trinkſchale von einer jungen Circaſ- ſerin mit unverhuͤlltem Buſen eben ſo gleichguͤltig rei- chen laͤßt, als er ſich in die weichen Polſter eines Per- ſiſchen Ruhebettes hineinſenkt — wahrhaftig, ſchoͤ- ne Danae, das nenn ich eine Verwandlung, welche in ſo kurzer Zeit zu bewerkſtelligen, ich keiner von allen un- ſterblichen Goͤttinnen zugetraut haͤtte. Jch weiß nicht, was du damit ſagen willſt, erwiederte Danae mit einer angenommenen Zerſtreuung; mich daͤucht nichts natuͤr- lichers, als alles, woruͤber du dich ſo verwundert ſtellſt; und geſezt, daß du dich in deinem Urtheil von Callias betrogen haͤtteſt, iſt es ſeine Schuld? Wenn ich dir die Wahrheit ſagen ſoll, ſo kan nichts unaͤhnlichers ſeyn, als wie du ihn mir abgeſchildert und wie ich ihn ge- funden habe. Du machteſt mich einen Pedantiſchen Tho- ren, den Gegenſtand einer Comoͤdie erwarten, und ich wiederhohle es, du magſt uͤber mich lachen ſo lange du willt, Alcibiades ſelbſt im Fruͤhling ſeiner Jahre und Reizungen war nicht liebenswuͤrdiger als derjenige, den du mir fuͤr ein comiſches Mittelding von einem Phantaſten und von einer Bildſaͤule gegeben haſt. Wenn [Agath. I. Th.] P

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/247>, abgerufen am 24.11.2024.