haltsam, oder, nach der Sprache des Hippias, und einer ansehnlichen Classe von Menschen zu reden, so seltsam, so eigensinnig und albern zu seyn als es unser Held in einigen Gelegenhei- ten seines Lebens ist.
Man hat an verschiedenen Stellen des gegen- wärtigen Werks die Ursachen angegeben, wa- rum man aus dem Agathon kein Modell eines vollkommen tugendhaften Mannes gemacht hat. Da die Welt mit ausführlichen Lehrbüchern der Sittenlehre angefüllt ist, so steht einem jeden frey, [und es ist nichts leichters] sich einen Men- schen einzubilden, der von der Wiege an bis ins Grab, in allen Umständen und Verhältnissen des Lebens, allezeit und vollkommen so empfindt, denkt und handelt, wie eine Moral. Damit Agathon das Bild eines wirklichen Menschen wäre, in welchem viele ihr eigenes erkennen soll- ten, konnte er, wir behaupten es zuversichtlich, nicht tugendhafter vorgestellt werden, als er ist; und wenn jemand hierinn andrer Meynung seyn sollte, so wünschten wir, daß er uns [wenn es
wahr
Vorbericht.
haltſam, oder, nach der Sprache des Hippias, und einer anſehnlichen Claſſe von Menſchen zu reden, ſo ſeltſam, ſo eigenſinnig und albern zu ſeyn als es unſer Held in einigen Gelegenhei- ten ſeines Lebens iſt.
Man hat an verſchiedenen Stellen des gegen- waͤrtigen Werks die Urſachen angegeben, wa- rum man aus dem Agathon kein Modell eines vollkommen tugendhaften Mannes gemacht hat. Da die Welt mit ausfuͤhrlichen Lehrbuͤchern der Sittenlehre angefuͤllt iſt, ſo ſteht einem jeden frey, [und es iſt nichts leichters] ſich einen Men- ſchen einzubilden, der von der Wiege an bis ins Grab, in allen Umſtaͤnden und Verhaͤltniſſen des Lebens, allezeit und vollkommen ſo empfindt, denkt und handelt, wie eine Moral. Damit Agathon das Bild eines wirklichen Menſchen waͤre, in welchem viele ihr eigenes erkennen ſoll- ten, konnte er, wir behaupten es zuverſichtlich, nicht tugendhafter vorgeſtellt werden, als er iſt; und wenn jemand hierinn andrer Meynung ſeyn ſollte, ſo wuͤnſchten wir, daß er uns [wenn es
wahr
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[0015]
Vorbericht.
haltſam, oder, nach der Sprache des Hippias,
und einer anſehnlichen Claſſe von Menſchen zu
reden, ſo ſeltſam, ſo eigenſinnig und albern zu
ſeyn als es unſer Held in einigen Gelegenhei-
ten ſeines Lebens iſt.
Man hat an verſchiedenen Stellen des gegen-
waͤrtigen Werks die Urſachen angegeben, wa-
rum man aus dem Agathon kein Modell eines
vollkommen tugendhaften Mannes gemacht hat.
Da die Welt mit ausfuͤhrlichen Lehrbuͤchern der
Sittenlehre angefuͤllt iſt, ſo ſteht einem jeden
frey, [und es iſt nichts leichters] ſich einen Men-
ſchen einzubilden, der von der Wiege an bis ins
Grab, in allen Umſtaͤnden und Verhaͤltniſſen des
Lebens, allezeit und vollkommen ſo empfindt,
denkt und handelt, wie eine Moral. Damit
Agathon das Bild eines wirklichen Menſchen
waͤre, in welchem viele ihr eigenes erkennen ſoll-
ten, konnte er, wir behaupten es zuverſichtlich,
nicht tugendhafter vorgeſtellt werden, als er iſt;
und wenn jemand hierinn andrer Meynung ſeyn
ſollte, ſo wuͤnſchten wir, daß er uns [wenn es
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Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_agathon01_1766/15>, abgerufen am 24.11.2024.
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