Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766.Agathon. ven ihrer Ueppigkeit in die Wette eyfern, um uner-hörte und ungeheure Wollüste zu erdenken, welche fä- hig seyn möchten, wenigstens die glühende Phantase dieser unglükseligen Glüklichen auf etliche Augenblike zu betrügen. Wir haben also mehr Ursache, als man insgemein glaubt, der Natur zu danken, wenn sie uns in einen Stand sezt, wo wir das Vergnügen dnrch Ar- beit erkauffen müssen, und vorher unsre Leidenschaften mäßigen lernen, eh wir zu einer Glükseligkeit gelangen, die wir ohne diese Mäßigung nicht geniessen könnten. Da nun die Despoten und die Strassenräuber die Grad
Agathon. ven ihrer Ueppigkeit in die Wette eyfern, um uner-hoͤrte und ungeheure Wolluͤſte zu erdenken, welche faͤ- hig ſeyn moͤchten, wenigſtens die gluͤhende Phantaſe dieſer ungluͤkſeligen Gluͤklichen auf etliche Augenblike zu betruͤgen. Wir haben alſo mehr Urſache, als man insgemein glaubt, der Natur zu danken, wenn ſie uns in einen Stand ſezt, wo wir das Vergnuͤgen dnrch Ar- beit erkauffen muͤſſen, und vorher unſre Leidenſchaften maͤßigen lernen, eh wir zu einer Gluͤkſeligkeit gelangen, die wir ohne dieſe Maͤßigung nicht genieſſen koͤnnten. Da nun die Deſpoten und die Straſſenraͤuber die Grad
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Agathon.
ven ihrer Ueppigkeit in die Wette eyfern, um uner-
hoͤrte und ungeheure Wolluͤſte zu erdenken, welche faͤ-
hig ſeyn moͤchten, wenigſtens die gluͤhende Phantaſe
dieſer ungluͤkſeligen Gluͤklichen auf etliche Augenblike zu
betruͤgen. Wir haben alſo mehr Urſache, als man
insgemein glaubt, der Natur zu danken, wenn ſie uns in
einen Stand ſezt, wo wir das Vergnuͤgen dnrch Ar-
beit erkauffen muͤſſen, und vorher unſre Leidenſchaften
maͤßigen lernen, eh wir zu einer Gluͤkſeligkeit gelangen,
die wir ohne dieſe Maͤßigung nicht genieſſen koͤnnten.
Da nun die Deſpoten und die Straſſenraͤuber die
einzigen ſind, denen es, jedoch auf ihre Gefahr, zuſteht,
ſich des Vermoͤgens andrer Leute mit Gewalt zu be-
maͤchtigen: So bleibt demjenigen, der ſich aus einem
Zuſtand von Mangel und Abhaͤnglichkeit empor ſchwin-
gen will, nichts anders uͤbrig, als daß er ſich die Ge-
ſchiklichkeit erwerbe, den Vortheil und das Vergnuͤgen
der Lieblinge des Gluͤkes zu befoͤrdern. Unter den vie-
lerley Arten, wie dieſes geſchehen kann, ſind einige dem
Menſchen von Genie, mit Ausſchluß aller uͤbrigen,
vorbehalten, und theilen ſich nach ihrem verſchiednen
Endzwek in zwo Claſſen ein, wovon die erſte die Vor-
theile, und die andre das Vergnuͤgen des betraͤchtlichſten
Theils einer Nation zum Gegenſtand hat. Die erſte,
welche die Regierungs- und Kriegs-Kuͤnſte in ſich be-
greift, ſcheint ordentlicher Weiſe nur in freyen Staaten
Plaz zu finden; die andre hat keine Grenzen als den
Grad
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