Wieland, Christoph Martin: Geschichte des Agathon. Bd. 1. Frankfurt (Main) u. a., 1766.Vorbericht. nommen; in der Entwiklung derselben so woldie innere als die relative Möglichkeit, die Be- schaffenheit des menschlichen Herzens, die Natur einer jeden Leidenschaft, mit allen den besondern Farben und Schattierungen, welche sie durch den Jndividual-Character und die Umstände einer jeden Person bekommen, aufs genaueste beybehalten; daneben auch der eigene Character des Landes, des Orts, der Zeit, in welche die Geschichte gesezt wird, niemal aus den Augen gesezt; und also alles so gedichtet sey, daß kein hinlänglicher Grund angegeben werden könne, warum es nicht eben so wie es erzählt wird, hätte geschehen können, oder noch einmal wirk- lich geschehen werde. Diese Wahrheit allein kann Werke von dieser Art nüzlich machen, und diese Wahrheit getrauet sich der Herausgeber den Lesern der Geschichte des Agathons zu verspre- chen. Seine Hauptabsicht war, sie mit einem Cha- seinen * 3
Vorbericht. nommen; in der Entwiklung derſelben ſo woldie innere als die relative Moͤglichkeit, die Be- ſchaffenheit des menſchlichen Herzens, die Natur einer jeden Leidenſchaft, mit allen den beſondern Farben und Schattierungen, welche ſie durch den Jndividual-Character und die Umſtaͤnde einer jeden Perſon bekommen, aufs genaueſte beybehalten; daneben auch der eigene Character des Landes, des Orts, der Zeit, in welche die Geſchichte geſezt wird, niemal aus den Augen geſezt; und alſo alles ſo gedichtet ſey, daß kein hinlaͤnglicher Grund angegeben werden koͤnne, warum es nicht eben ſo wie es erzaͤhlt wird, haͤtte geſchehen koͤnnen, oder noch einmal wirk- lich geſchehen werde. Dieſe Wahrheit allein kann Werke von dieſer Art nuͤzlich machen, und dieſe Wahrheit getrauet ſich der Herausgeber den Leſern der Geſchichte des Agathons zu verſpre- chen. Seine Hauptabſicht war, ſie mit einem Cha- ſeinen * 3
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Vorbericht.
nommen; in der Entwiklung derſelben ſo wol
die innere als die relative Moͤglichkeit, die Be-
ſchaffenheit des menſchlichen Herzens, die Natur
einer jeden Leidenſchaft, mit allen den beſondern
Farben und Schattierungen, welche ſie durch
den Jndividual-Character und die Umſtaͤnde
einer jeden Perſon bekommen, aufs genaueſte
beybehalten; daneben auch der eigene Character
des Landes, des Orts, der Zeit, in welche die
Geſchichte geſezt wird, niemal aus den Augen
geſezt; und alſo alles ſo gedichtet ſey, daß kein
hinlaͤnglicher Grund angegeben werden koͤnne,
warum es nicht eben ſo wie es erzaͤhlt wird,
haͤtte geſchehen koͤnnen, oder noch einmal wirk-
lich geſchehen werde. Dieſe Wahrheit allein
kann Werke von dieſer Art nuͤzlich machen, und
dieſe Wahrheit getrauet ſich der Herausgeber den
Leſern der Geſchichte des Agathons zu verſpre-
chen.
Seine Hauptabſicht war, ſie mit einem Cha-
racter, welcher gekannt zu werden wuͤrdig waͤ-
re, in einem manchfaltigen Licht, und von allen
ſeinen
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