Widmann, Adolf: Die katholische Mühle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 161–232. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.ihn wieder, und am Ende mußte man doch auch ohne ihn aufbrechen. Otto hatte sich mit der Wirthin verständigt, um, wie er angab, einen Scherz zu machen, und lachte hinter den Vorhängen der obern Stube durch, als er sie endlich abziehen und im Gehölz nach den Batzenwald zu verschwinden sah. Zuletzt machte er sich auch auf in einer andern Richtung; da er aber nicht zu eilen hatte, sondern nur ungeduldig war, nahm er den weitesten Weg über die Wiesen; denn er wollte vor Nacht gar nicht in den Wald und vor neun Uhr nicht zu der Grenzbuche kommen. Langsam stieg er, als es endlich dunkelte, zur Höhe auf einem grasigen Weg, bis er an die älteren Schläge kam und die Weißtannen höher wurden und im Nachtwind rauschten. Das Wetter war unsicher; der Mond stritt sich mit den Wolken, und oft war's schwarze Nacht um ihn, wo das Dickicht stark wurde. Er wollte auf den Bergrücken kommen, welcher die Mühle vom Grenzthal trennt, und dort auf das Mädchen warten. Seine Gedanken waren schon bei ihr und darum seine Füße nachlässig; denn er stieß sich im Dunkel heftig an einen Stein, daß er fast gefallen wäre. Da der Mond gerade vorkam, so besah er sich den Stein; sein Haar sträubte sich aber, und kalt ging es ihm den Rücken hinab, als ihm der Kreuzweg am Brudermord in die Augen fiel. Die Worte des Wald- ihn wieder, und am Ende mußte man doch auch ohne ihn aufbrechen. Otto hatte sich mit der Wirthin verständigt, um, wie er angab, einen Scherz zu machen, und lachte hinter den Vorhängen der obern Stube durch, als er sie endlich abziehen und im Gehölz nach den Batzenwald zu verschwinden sah. Zuletzt machte er sich auch auf in einer andern Richtung; da er aber nicht zu eilen hatte, sondern nur ungeduldig war, nahm er den weitesten Weg über die Wiesen; denn er wollte vor Nacht gar nicht in den Wald und vor neun Uhr nicht zu der Grenzbuche kommen. Langsam stieg er, als es endlich dunkelte, zur Höhe auf einem grasigen Weg, bis er an die älteren Schläge kam und die Weißtannen höher wurden und im Nachtwind rauschten. Das Wetter war unsicher; der Mond stritt sich mit den Wolken, und oft war's schwarze Nacht um ihn, wo das Dickicht stark wurde. Er wollte auf den Bergrücken kommen, welcher die Mühle vom Grenzthal trennt, und dort auf das Mädchen warten. Seine Gedanken waren schon bei ihr und darum seine Füße nachlässig; denn er stieß sich im Dunkel heftig an einen Stein, daß er fast gefallen wäre. Da der Mond gerade vorkam, so besah er sich den Stein; sein Haar sträubte sich aber, und kalt ging es ihm den Rücken hinab, als ihm der Kreuzweg am Brudermord in die Augen fiel. Die Worte des Wald- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0062"/> ihn wieder, und am Ende mußte man doch auch ohne ihn aufbrechen.</p><lb/> <p>Otto hatte sich mit der Wirthin verständigt, um, wie er angab, einen Scherz zu machen, und lachte hinter den Vorhängen der obern Stube durch, als er sie endlich abziehen und im Gehölz nach den Batzenwald zu verschwinden sah.</p><lb/> <p>Zuletzt machte er sich auch auf in einer andern Richtung; da er aber nicht zu eilen hatte, sondern nur ungeduldig war, nahm er den weitesten Weg über die Wiesen; denn er wollte vor Nacht gar nicht in den Wald und vor neun Uhr nicht zu der Grenzbuche kommen.</p><lb/> <p>Langsam stieg er, als es endlich dunkelte, zur Höhe auf einem grasigen Weg, bis er an die älteren Schläge kam und die Weißtannen höher wurden und im Nachtwind rauschten. Das Wetter war unsicher; der Mond stritt sich mit den Wolken, und oft war's schwarze Nacht um ihn, wo das Dickicht stark wurde. Er wollte auf den Bergrücken kommen, welcher die Mühle vom Grenzthal trennt, und dort auf das Mädchen warten. Seine Gedanken waren schon bei ihr und darum seine Füße nachlässig; denn er stieß sich im Dunkel heftig an einen Stein, daß er fast gefallen wäre.</p><lb/> <p>Da der Mond gerade vorkam, so besah er sich den Stein; sein Haar sträubte sich aber, und kalt ging es ihm den Rücken hinab, als ihm der Kreuzweg am Brudermord in die Augen fiel. Die Worte des Wald-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0062]
ihn wieder, und am Ende mußte man doch auch ohne ihn aufbrechen.
Otto hatte sich mit der Wirthin verständigt, um, wie er angab, einen Scherz zu machen, und lachte hinter den Vorhängen der obern Stube durch, als er sie endlich abziehen und im Gehölz nach den Batzenwald zu verschwinden sah.
Zuletzt machte er sich auch auf in einer andern Richtung; da er aber nicht zu eilen hatte, sondern nur ungeduldig war, nahm er den weitesten Weg über die Wiesen; denn er wollte vor Nacht gar nicht in den Wald und vor neun Uhr nicht zu der Grenzbuche kommen.
Langsam stieg er, als es endlich dunkelte, zur Höhe auf einem grasigen Weg, bis er an die älteren Schläge kam und die Weißtannen höher wurden und im Nachtwind rauschten. Das Wetter war unsicher; der Mond stritt sich mit den Wolken, und oft war's schwarze Nacht um ihn, wo das Dickicht stark wurde. Er wollte auf den Bergrücken kommen, welcher die Mühle vom Grenzthal trennt, und dort auf das Mädchen warten. Seine Gedanken waren schon bei ihr und darum seine Füße nachlässig; denn er stieß sich im Dunkel heftig an einen Stein, daß er fast gefallen wäre.
Da der Mond gerade vorkam, so besah er sich den Stein; sein Haar sträubte sich aber, und kalt ging es ihm den Rücken hinab, als ihm der Kreuzweg am Brudermord in die Augen fiel. Die Worte des Wald-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-16T13:16:28Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-16T13:16:28Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |