Widmann, Adolf: Die katholische Mühle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 161–232. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Bei der Mutter Gottes und den Dornen des Gekreuzigten, ich bin rein und ist alles Wahrheit, was ich rede, so mir Gott helfe bei der ewigen Urständ, antwortete das Mädchen. So rede! gebot er; -- man hätte eine Nadel fallen hören, so still war es in der Stube. Ich klage den Maurer an um unschuldig Blut, sprach sie feierlich. Er ist ausgegangen, den jungen Jäger, der ihm das Leben schenkte, hinterrücks zu ermorden. Denn er ist giftig, weil er heute Morgen aus der Mühlluke sah, da ich den Jäger grüßte, und eifersüchtig, weil ich nichts von ihm will und von seinem Schönthun. Vom Blitze getroffen saß der Bursche da; es bebte und zuckte in seinem Gesicht, daß er nicht reden konnte; woher konnte sie wissen, was er im Herzen gewollt hatte? -- Endlich rang er die Worte heraus: Du hast es mit dem Teufel, Ammrey, und du lügst, ich habe Niemand gemordet! Ihr Auge sprühte; doch sagte sie ruhig: Schweig, und wenn der Herrgott über dem Jäger war, so hast du doch einen bösen Sinn und eine böse Hand, die deinen Brüdern Unglück bringt. Die Anderen rückten bei diesen Worten von ihm weg, daß er allein auf dem Sünderstuhl saß; da wollte er wild fluchend auffahren, aber das Still! des Alten legte sich ihm wie ein Band um die Zunge; er blieb bleich sitzen. Bei der Mutter Gottes und den Dornen des Gekreuzigten, ich bin rein und ist alles Wahrheit, was ich rede, so mir Gott helfe bei der ewigen Urständ, antwortete das Mädchen. So rede! gebot er; — man hätte eine Nadel fallen hören, so still war es in der Stube. Ich klage den Maurer an um unschuldig Blut, sprach sie feierlich. Er ist ausgegangen, den jungen Jäger, der ihm das Leben schenkte, hinterrücks zu ermorden. Denn er ist giftig, weil er heute Morgen aus der Mühlluke sah, da ich den Jäger grüßte, und eifersüchtig, weil ich nichts von ihm will und von seinem Schönthun. Vom Blitze getroffen saß der Bursche da; es bebte und zuckte in seinem Gesicht, daß er nicht reden konnte; woher konnte sie wissen, was er im Herzen gewollt hatte? — Endlich rang er die Worte heraus: Du hast es mit dem Teufel, Ammrey, und du lügst, ich habe Niemand gemordet! Ihr Auge sprühte; doch sagte sie ruhig: Schweig, und wenn der Herrgott über dem Jäger war, so hast du doch einen bösen Sinn und eine böse Hand, die deinen Brüdern Unglück bringt. Die Anderen rückten bei diesen Worten von ihm weg, daß er allein auf dem Sünderstuhl saß; da wollte er wild fluchend auffahren, aber das Still! des Alten legte sich ihm wie ein Band um die Zunge; er blieb bleich sitzen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0048"/> <p>Bei der Mutter Gottes und den Dornen des Gekreuzigten, ich bin rein und ist alles Wahrheit, was ich rede, so mir Gott helfe bei der ewigen Urständ, antwortete das Mädchen.</p><lb/> <p>So rede! gebot er; — man hätte eine Nadel fallen hören, so still war es in der Stube.</p><lb/> <p>Ich klage den Maurer an um unschuldig Blut, sprach sie feierlich. Er ist ausgegangen, den jungen Jäger, der ihm das Leben schenkte, hinterrücks zu ermorden. Denn er ist giftig, weil er heute Morgen aus der Mühlluke sah, da ich den Jäger grüßte, und eifersüchtig, weil ich nichts von ihm will und von seinem Schönthun.</p><lb/> <p>Vom Blitze getroffen saß der Bursche da; es bebte und zuckte in seinem Gesicht, daß er nicht reden konnte; woher konnte sie wissen, was er im Herzen gewollt hatte? — Endlich rang er die Worte heraus: Du hast es mit dem Teufel, Ammrey, und du lügst, ich habe Niemand gemordet!</p><lb/> <p>Ihr Auge sprühte; doch sagte sie ruhig: Schweig, und wenn der Herrgott über dem Jäger war, so hast du doch einen bösen Sinn und eine böse Hand, die deinen Brüdern Unglück bringt.</p><lb/> <p>Die Anderen rückten bei diesen Worten von ihm weg, daß er allein auf dem Sünderstuhl saß; da wollte er wild fluchend auffahren, aber das Still! des Alten legte sich ihm wie ein Band um die Zunge; er blieb bleich sitzen.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0048]
Bei der Mutter Gottes und den Dornen des Gekreuzigten, ich bin rein und ist alles Wahrheit, was ich rede, so mir Gott helfe bei der ewigen Urständ, antwortete das Mädchen.
So rede! gebot er; — man hätte eine Nadel fallen hören, so still war es in der Stube.
Ich klage den Maurer an um unschuldig Blut, sprach sie feierlich. Er ist ausgegangen, den jungen Jäger, der ihm das Leben schenkte, hinterrücks zu ermorden. Denn er ist giftig, weil er heute Morgen aus der Mühlluke sah, da ich den Jäger grüßte, und eifersüchtig, weil ich nichts von ihm will und von seinem Schönthun.
Vom Blitze getroffen saß der Bursche da; es bebte und zuckte in seinem Gesicht, daß er nicht reden konnte; woher konnte sie wissen, was er im Herzen gewollt hatte? — Endlich rang er die Worte heraus: Du hast es mit dem Teufel, Ammrey, und du lügst, ich habe Niemand gemordet!
Ihr Auge sprühte; doch sagte sie ruhig: Schweig, und wenn der Herrgott über dem Jäger war, so hast du doch einen bösen Sinn und eine böse Hand, die deinen Brüdern Unglück bringt.
Die Anderen rückten bei diesen Worten von ihm weg, daß er allein auf dem Sünderstuhl saß; da wollte er wild fluchend auffahren, aber das Still! des Alten legte sich ihm wie ein Band um die Zunge; er blieb bleich sitzen.
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Zitationshilfe: | Widmann, Adolf: Die katholische Mühle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 161–232. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/widmann_muehle_1910/48>, abgerufen am 25.07.2024. |