Widmann, Adolf: Die katholische Mühle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 161–232. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.freien Paß mit Gewehr und Last bis zum würtembergischen Grenzpfahl und wieder zurück. Mit mir heißt es anders. Ich muß mitten unter den verdammten Ketzern wohnen, wo es nicht einmal einen ordentlichen Kirchgang hat; ihr Recht ist auch mein Recht, und ich muß zuletzt, wenn ihr weg seid, die Suppe auslöffeln mit dem Leib, aber auch mit Hab und Gut, und das gehört der Ammrey ebenso, wie mir. -- Ich will darum 's Wildern lassen und 's Herbergen lassen; und ich will es thun und gleich thun; -- von morgen ab könnt ihr nicht mehr bei mir einkehren! -- sprach der Alte so bestimmt, daß die Bursche vom Ofen auffuhren und die laute Bewegung entstand, welche Ammrey und den jungen Jäger auseinandergejagt hatte. Die Anderen versuchten mit allerlei schlauen Reden, denn man glaubt es nicht, was der Bauer für ein Politicus ist, den Müller von seinem Vorhaben abzubringen; er hatte aber lange genug gesprochen und schaute nur schweigend bald Den, bald Jenen an. Als daher das Mädchen wieder in die Stube trat, war die frühere Stille; nur hatte der Lesende sein Buch sachte auf die Feuerwand hinter den Ofen gestellt und das Gespräch hatte ganz aufgehört. Keiner wendete auch nur den Kopf oder hob das Auge auf, als Ammrey auf die Kammerthüre, aus deren Spalten ein Lampenlicht schimmerte, zuging. In einem großen viereckigten Himmelbett mit zitzenen Vorhängen lag ein Verwundeter, wie es schien, in herben freien Paß mit Gewehr und Last bis zum würtembergischen Grenzpfahl und wieder zurück. Mit mir heißt es anders. Ich muß mitten unter den verdammten Ketzern wohnen, wo es nicht einmal einen ordentlichen Kirchgang hat; ihr Recht ist auch mein Recht, und ich muß zuletzt, wenn ihr weg seid, die Suppe auslöffeln mit dem Leib, aber auch mit Hab und Gut, und das gehört der Ammrey ebenso, wie mir. — Ich will darum 's Wildern lassen und 's Herbergen lassen; und ich will es thun und gleich thun; — von morgen ab könnt ihr nicht mehr bei mir einkehren! — sprach der Alte so bestimmt, daß die Bursche vom Ofen auffuhren und die laute Bewegung entstand, welche Ammrey und den jungen Jäger auseinandergejagt hatte. Die Anderen versuchten mit allerlei schlauen Reden, denn man glaubt es nicht, was der Bauer für ein Politicus ist, den Müller von seinem Vorhaben abzubringen; er hatte aber lange genug gesprochen und schaute nur schweigend bald Den, bald Jenen an. Als daher das Mädchen wieder in die Stube trat, war die frühere Stille; nur hatte der Lesende sein Buch sachte auf die Feuerwand hinter den Ofen gestellt und das Gespräch hatte ganz aufgehört. Keiner wendete auch nur den Kopf oder hob das Auge auf, als Ammrey auf die Kammerthüre, aus deren Spalten ein Lampenlicht schimmerte, zuging. In einem großen viereckigten Himmelbett mit zitzenen Vorhängen lag ein Verwundeter, wie es schien, in herben <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0045"/> freien Paß mit Gewehr und Last bis zum würtembergischen Grenzpfahl und wieder zurück. Mit mir heißt es anders. Ich muß mitten unter den verdammten Ketzern wohnen, wo es nicht einmal einen ordentlichen Kirchgang hat; ihr Recht ist auch mein Recht, und ich muß zuletzt, wenn ihr weg seid, die Suppe auslöffeln mit dem Leib, aber auch mit Hab und Gut, und das gehört der Ammrey ebenso, wie mir. — Ich will darum 's Wildern lassen und 's Herbergen lassen; und ich will es thun und gleich thun; — von morgen ab könnt ihr nicht mehr bei mir einkehren! — sprach der Alte so bestimmt, daß die Bursche vom Ofen auffuhren und die laute Bewegung entstand, welche Ammrey und den jungen Jäger auseinandergejagt hatte.</p><lb/> <p>Die Anderen versuchten mit allerlei schlauen Reden, denn man glaubt es nicht, was der Bauer für ein Politicus ist, den Müller von seinem Vorhaben abzubringen; er hatte aber lange genug gesprochen und schaute nur schweigend bald Den, bald Jenen an. Als daher das Mädchen wieder in die Stube trat, war die frühere Stille; nur hatte der Lesende sein Buch sachte auf die Feuerwand hinter den Ofen gestellt und das Gespräch hatte ganz aufgehört.</p><lb/> <p>Keiner wendete auch nur den Kopf oder hob das Auge auf, als Ammrey auf die Kammerthüre, aus deren Spalten ein Lampenlicht schimmerte, zuging. In einem großen viereckigten Himmelbett mit zitzenen Vorhängen lag ein Verwundeter, wie es schien, in herben<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0045]
freien Paß mit Gewehr und Last bis zum würtembergischen Grenzpfahl und wieder zurück. Mit mir heißt es anders. Ich muß mitten unter den verdammten Ketzern wohnen, wo es nicht einmal einen ordentlichen Kirchgang hat; ihr Recht ist auch mein Recht, und ich muß zuletzt, wenn ihr weg seid, die Suppe auslöffeln mit dem Leib, aber auch mit Hab und Gut, und das gehört der Ammrey ebenso, wie mir. — Ich will darum 's Wildern lassen und 's Herbergen lassen; und ich will es thun und gleich thun; — von morgen ab könnt ihr nicht mehr bei mir einkehren! — sprach der Alte so bestimmt, daß die Bursche vom Ofen auffuhren und die laute Bewegung entstand, welche Ammrey und den jungen Jäger auseinandergejagt hatte.
Die Anderen versuchten mit allerlei schlauen Reden, denn man glaubt es nicht, was der Bauer für ein Politicus ist, den Müller von seinem Vorhaben abzubringen; er hatte aber lange genug gesprochen und schaute nur schweigend bald Den, bald Jenen an. Als daher das Mädchen wieder in die Stube trat, war die frühere Stille; nur hatte der Lesende sein Buch sachte auf die Feuerwand hinter den Ofen gestellt und das Gespräch hatte ganz aufgehört.
Keiner wendete auch nur den Kopf oder hob das Auge auf, als Ammrey auf die Kammerthüre, aus deren Spalten ein Lampenlicht schimmerte, zuging. In einem großen viereckigten Himmelbett mit zitzenen Vorhängen lag ein Verwundeter, wie es schien, in herben
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Zitationshilfe: | Widmann, Adolf: Die katholische Mühle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 161–232. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/widmann_muehle_1910/45>, abgerufen am 04.07.2024. |