Widmann, Adolf: Die katholische Mühle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 161–232. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Auge alsbald nach einem frischgrünen Wiesfleck. Die Glocken des rothen Fingerhuts glühten und schimmerten herüber aus dem Kraut, das mannshoch aufgesproßt war und ein treffliches Versteck für den Bauer abgab, welcher dazwischen stand, und von welchem Otto, der dem Alten nachrutschte, nur den linken Arm sehen konnte, in einer Entfernung, wie weit gerade noch eine gute Büchse trägt. Hm, hm, sagte der Förster, indem er den Hahn leise aufzog; seit wann braucht man denn die linke Hand, um den Rehruf zu führen? Herr Otto, es ist nicht gut, wenn man nur so ein kleines Stück, wie einen Arm, mit der Büchse nimmt; man muß immer das Mittel nehmen, sonst ist's gefehlt; es ist nicht wie mit den Schroten; die Kugel macht nur Ein Loch oder kein Loch. Es ist gewiß wahr, Herr Otto. -- Da kam der Rücken des Wilderers zum Vorschein; der graue Kittel gab ein gutes Ziel, und ehe Otto es, wie er versuchte, hindern konnte, knallte die Büchse, ein langer Bursche that einen Schrei, machte einen hohen Sprung im Kraut und fiel. Was ist's? wandte sich der Alte um, welcher glaubte, der Jüngling habe ihm wegen einer näheren Gefahr ans Gewehr gegriffen. Es hat ihn schon! -- Oben aus dem Walde sprangen vier Gesellen, faßten den Gefallenen und schleppten ihn eilig fort. Schuß und geflossenes Blut hatten Otto umgewandelt. Er, der soeben den Förster am Schießen hindern Auge alsbald nach einem frischgrünen Wiesfleck. Die Glocken des rothen Fingerhuts glühten und schimmerten herüber aus dem Kraut, das mannshoch aufgesproßt war und ein treffliches Versteck für den Bauer abgab, welcher dazwischen stand, und von welchem Otto, der dem Alten nachrutschte, nur den linken Arm sehen konnte, in einer Entfernung, wie weit gerade noch eine gute Büchse trägt. Hm, hm, sagte der Förster, indem er den Hahn leise aufzog; seit wann braucht man denn die linke Hand, um den Rehruf zu führen? Herr Otto, es ist nicht gut, wenn man nur so ein kleines Stück, wie einen Arm, mit der Büchse nimmt; man muß immer das Mittel nehmen, sonst ist's gefehlt; es ist nicht wie mit den Schroten; die Kugel macht nur Ein Loch oder kein Loch. Es ist gewiß wahr, Herr Otto. — Da kam der Rücken des Wilderers zum Vorschein; der graue Kittel gab ein gutes Ziel, und ehe Otto es, wie er versuchte, hindern konnte, knallte die Büchse, ein langer Bursche that einen Schrei, machte einen hohen Sprung im Kraut und fiel. Was ist's? wandte sich der Alte um, welcher glaubte, der Jüngling habe ihm wegen einer näheren Gefahr ans Gewehr gegriffen. Es hat ihn schon! — Oben aus dem Walde sprangen vier Gesellen, faßten den Gefallenen und schleppten ihn eilig fort. Schuß und geflossenes Blut hatten Otto umgewandelt. Er, der soeben den Förster am Schießen hindern <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0029"/> Auge alsbald nach einem frischgrünen Wiesfleck. Die Glocken des rothen Fingerhuts glühten und schimmerten herüber aus dem Kraut, das mannshoch aufgesproßt war und ein treffliches Versteck für den Bauer abgab, welcher dazwischen stand, und von welchem Otto, der dem Alten nachrutschte, nur den linken Arm sehen konnte, in einer Entfernung, wie weit gerade noch eine gute Büchse trägt.</p><lb/> <p>Hm, hm, sagte der Förster, indem er den Hahn leise aufzog; seit wann braucht man denn die linke Hand, um den Rehruf zu führen? Herr Otto, es ist nicht gut, wenn man nur so ein kleines Stück, wie einen Arm, mit der Büchse nimmt; man muß immer das Mittel nehmen, sonst ist's gefehlt; es ist nicht wie mit den Schroten; die Kugel macht nur Ein Loch oder kein Loch. Es ist gewiß wahr, Herr Otto. — Da kam der Rücken des Wilderers zum Vorschein; der graue Kittel gab ein gutes Ziel, und ehe Otto es, wie er versuchte, hindern konnte, knallte die Büchse, ein langer Bursche that einen Schrei, machte einen hohen Sprung im Kraut und fiel.</p><lb/> <p>Was ist's? wandte sich der Alte um, welcher glaubte, der Jüngling habe ihm wegen einer näheren Gefahr ans Gewehr gegriffen. Es hat ihn schon! —</p><lb/> <p>Oben aus dem Walde sprangen vier Gesellen, faßten den Gefallenen und schleppten ihn eilig fort.</p><lb/> <p>Schuß und geflossenes Blut hatten Otto umgewandelt. Er, der soeben den Förster am Schießen hindern<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0029]
Auge alsbald nach einem frischgrünen Wiesfleck. Die Glocken des rothen Fingerhuts glühten und schimmerten herüber aus dem Kraut, das mannshoch aufgesproßt war und ein treffliches Versteck für den Bauer abgab, welcher dazwischen stand, und von welchem Otto, der dem Alten nachrutschte, nur den linken Arm sehen konnte, in einer Entfernung, wie weit gerade noch eine gute Büchse trägt.
Hm, hm, sagte der Förster, indem er den Hahn leise aufzog; seit wann braucht man denn die linke Hand, um den Rehruf zu führen? Herr Otto, es ist nicht gut, wenn man nur so ein kleines Stück, wie einen Arm, mit der Büchse nimmt; man muß immer das Mittel nehmen, sonst ist's gefehlt; es ist nicht wie mit den Schroten; die Kugel macht nur Ein Loch oder kein Loch. Es ist gewiß wahr, Herr Otto. — Da kam der Rücken des Wilderers zum Vorschein; der graue Kittel gab ein gutes Ziel, und ehe Otto es, wie er versuchte, hindern konnte, knallte die Büchse, ein langer Bursche that einen Schrei, machte einen hohen Sprung im Kraut und fiel.
Was ist's? wandte sich der Alte um, welcher glaubte, der Jüngling habe ihm wegen einer näheren Gefahr ans Gewehr gegriffen. Es hat ihn schon! —
Oben aus dem Walde sprangen vier Gesellen, faßten den Gefallenen und schleppten ihn eilig fort.
Schuß und geflossenes Blut hatten Otto umgewandelt. Er, der soeben den Förster am Schießen hindern
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Zitationshilfe: | Widmann, Adolf: Die katholische Mühle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 161–232. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/widmann_muehle_1910/29>, abgerufen am 04.07.2024. |