Widmann, Adolf: Die katholische Mühle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 161–232. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Damit stellte er sich selbst so, daß er vom Berge aus nicht gesehen werden konnte, und begann mit großer Langsamkeit: Sieht der Herr Otto die Streifen im rothen Stein? Ist der Teufel nicht dumm? Das nenn' ich mir eine Spur, eine Capitalspur; die dummen Teufel wissen noch nicht, daß man die Schuhnägel im Sandstein sieht, und treten so fest auf, als wär's Granit. -- Der Herr Otto wird bald so ein Paar Wilddiebe sehen, denn dieser da ist aufwärts gerannt, 's hat ihm pressirt, denn er ist ausgerutscht. -- Dort hinten, wo die Schlucht schließt, rückt der Tannenwald wieder ans Wasser; da kommen sie herunter und gehen im Bach zur Mühle und wieder zurück. -- Und die Spur ist noch frisch; wär' schon ein Thau darüber, so wären die Streifen nicht so weiß. Jetzt gilt's, Herr Otto; jetzt muß ich den Obermann machen. Vorsichtig ging er vorwärts, und freudig folgte der Junge mitten im Bach, durch die steilen Ufer gedeckt. Der Herr Otto muß beim Waten seinen Fuß aus dem Wasser ziehen, gerade bis an die Sohle, aber nicht höher, sonst tröpfelt's, raunte ihm der Förster zu, und fort ging's, bis der hohe Tannenwald wieder ganz nahe am Wasser begann. Das steht wie ein Dom, so hundertjährige Tannen und wohl sechzig Fuß hoch, bis nur die Krone anfängt, und auf dem Boden ist's sauber und glatt, wie in der Kirche. Kein Strauch hindert den Fuß, weiches Moos und grüne Heidelbeeren decken den Boden, nur die Stech- Damit stellte er sich selbst so, daß er vom Berge aus nicht gesehen werden konnte, und begann mit großer Langsamkeit: Sieht der Herr Otto die Streifen im rothen Stein? Ist der Teufel nicht dumm? Das nenn' ich mir eine Spur, eine Capitalspur; die dummen Teufel wissen noch nicht, daß man die Schuhnägel im Sandstein sieht, und treten so fest auf, als wär's Granit. — Der Herr Otto wird bald so ein Paar Wilddiebe sehen, denn dieser da ist aufwärts gerannt, 's hat ihm pressirt, denn er ist ausgerutscht. — Dort hinten, wo die Schlucht schließt, rückt der Tannenwald wieder ans Wasser; da kommen sie herunter und gehen im Bach zur Mühle und wieder zurück. — Und die Spur ist noch frisch; wär' schon ein Thau darüber, so wären die Streifen nicht so weiß. Jetzt gilt's, Herr Otto; jetzt muß ich den Obermann machen. Vorsichtig ging er vorwärts, und freudig folgte der Junge mitten im Bach, durch die steilen Ufer gedeckt. Der Herr Otto muß beim Waten seinen Fuß aus dem Wasser ziehen, gerade bis an die Sohle, aber nicht höher, sonst tröpfelt's, raunte ihm der Förster zu, und fort ging's, bis der hohe Tannenwald wieder ganz nahe am Wasser begann. Das steht wie ein Dom, so hundertjährige Tannen und wohl sechzig Fuß hoch, bis nur die Krone anfängt, und auf dem Boden ist's sauber und glatt, wie in der Kirche. Kein Strauch hindert den Fuß, weiches Moos und grüne Heidelbeeren decken den Boden, nur die Stech- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0027"/> <p>Damit stellte er sich selbst so, daß er vom Berge aus nicht gesehen werden konnte, und begann mit großer Langsamkeit: Sieht der Herr Otto die Streifen im rothen Stein? Ist der Teufel nicht dumm? Das nenn' ich mir eine Spur, eine Capitalspur; die dummen Teufel wissen noch nicht, daß man die Schuhnägel im Sandstein sieht, und treten so fest auf, als wär's Granit. — Der Herr Otto wird bald so ein Paar Wilddiebe sehen, denn dieser da ist aufwärts gerannt, 's hat ihm pressirt, denn er ist ausgerutscht. — Dort hinten, wo die Schlucht schließt, rückt der Tannenwald wieder ans Wasser; da kommen sie herunter und gehen im Bach zur Mühle und wieder zurück. — Und die Spur ist noch frisch; wär' schon ein Thau darüber, so wären die Streifen nicht so weiß. Jetzt gilt's, Herr Otto; jetzt muß ich den Obermann machen.</p><lb/> <p>Vorsichtig ging er vorwärts, und freudig folgte der Junge mitten im Bach, durch die steilen Ufer gedeckt.</p><lb/> <p>Der Herr Otto muß beim Waten seinen Fuß aus dem Wasser ziehen, gerade bis an die Sohle, aber nicht höher, sonst tröpfelt's, raunte ihm der Förster zu, und fort ging's, bis der hohe Tannenwald wieder ganz nahe am Wasser begann.</p><lb/> <p>Das steht wie ein Dom, so hundertjährige Tannen und wohl sechzig Fuß hoch, bis nur die Krone anfängt, und auf dem Boden ist's sauber und glatt, wie in der Kirche. Kein Strauch hindert den Fuß, weiches Moos und grüne Heidelbeeren decken den Boden, nur die Stech-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0027]
Damit stellte er sich selbst so, daß er vom Berge aus nicht gesehen werden konnte, und begann mit großer Langsamkeit: Sieht der Herr Otto die Streifen im rothen Stein? Ist der Teufel nicht dumm? Das nenn' ich mir eine Spur, eine Capitalspur; die dummen Teufel wissen noch nicht, daß man die Schuhnägel im Sandstein sieht, und treten so fest auf, als wär's Granit. — Der Herr Otto wird bald so ein Paar Wilddiebe sehen, denn dieser da ist aufwärts gerannt, 's hat ihm pressirt, denn er ist ausgerutscht. — Dort hinten, wo die Schlucht schließt, rückt der Tannenwald wieder ans Wasser; da kommen sie herunter und gehen im Bach zur Mühle und wieder zurück. — Und die Spur ist noch frisch; wär' schon ein Thau darüber, so wären die Streifen nicht so weiß. Jetzt gilt's, Herr Otto; jetzt muß ich den Obermann machen.
Vorsichtig ging er vorwärts, und freudig folgte der Junge mitten im Bach, durch die steilen Ufer gedeckt.
Der Herr Otto muß beim Waten seinen Fuß aus dem Wasser ziehen, gerade bis an die Sohle, aber nicht höher, sonst tröpfelt's, raunte ihm der Förster zu, und fort ging's, bis der hohe Tannenwald wieder ganz nahe am Wasser begann.
Das steht wie ein Dom, so hundertjährige Tannen und wohl sechzig Fuß hoch, bis nur die Krone anfängt, und auf dem Boden ist's sauber und glatt, wie in der Kirche. Kein Strauch hindert den Fuß, weiches Moos und grüne Heidelbeeren decken den Boden, nur die Stech-
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Zitationshilfe: | Widmann, Adolf: Die katholische Mühle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 161–232. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/widmann_muehle_1910/27>, abgerufen am 25.07.2024. |