Widmann, Adolf: Die katholische Mühle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 161–232. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Zuchthaus wandert, immer den klingenden Frühling im Sinn, der ihn wieder einmal im Walde sieht. Eigene Bräuche üben sie bei Bestattung der Todten. Ist einer der Gesellen kalt, so ziehen sich von beiden Seiten Jäger und Wilderer rasch zurück. Entweder schleppen die Bauern den Todten alsbald mit, denn sie halten redlich zusammen, schon aus Aberglauben und damit man an dem Todten nicht die Lebendigen erkenne; oder sie holen ihn später, wenn sie erst an einem sichern Ort die Gewehre versteckt haben -- und die Jäger lassen es gern geschehen. Dann erfährt Niemand etwas weiter von dem Todten; sie graben ein Grab im tiefsten Wald und decken ihn mit Heidekraut, Erde und Felsen. Einer spricht ein Ave -- denn die im Bad'ner Land sind viel katholisch -- und Alles ist vergessen, bis sie nach Hause kommen und der armen Seele noch ein paar Messen lesen lassen. Nicht Richter noch Schreiber sind zu diesen Ceremonien nöthig. Nur eins behalten sie ewig: die Blutrache gegen den Jäger, der ihren Kameraden gefällt hat. Darum forschen sie so lange, bis sie den Thäter kennen, und wenn dieser auch gefällt wird, halten sie es nicht für Mord. Sonst aber scheuen sie sich, Einen unter sich zu dulden, dem unschuldig Blut an den Fingern klebt, weil dieser dem ganzen Streifzug Unheil brächte. Können die Wilderer aber ihren Bruder nicht finden Zuchthaus wandert, immer den klingenden Frühling im Sinn, der ihn wieder einmal im Walde sieht. Eigene Bräuche üben sie bei Bestattung der Todten. Ist einer der Gesellen kalt, so ziehen sich von beiden Seiten Jäger und Wilderer rasch zurück. Entweder schleppen die Bauern den Todten alsbald mit, denn sie halten redlich zusammen, schon aus Aberglauben und damit man an dem Todten nicht die Lebendigen erkenne; oder sie holen ihn später, wenn sie erst an einem sichern Ort die Gewehre versteckt haben — und die Jäger lassen es gern geschehen. Dann erfährt Niemand etwas weiter von dem Todten; sie graben ein Grab im tiefsten Wald und decken ihn mit Heidekraut, Erde und Felsen. Einer spricht ein Ave — denn die im Bad'ner Land sind viel katholisch — und Alles ist vergessen, bis sie nach Hause kommen und der armen Seele noch ein paar Messen lesen lassen. Nicht Richter noch Schreiber sind zu diesen Ceremonien nöthig. Nur eins behalten sie ewig: die Blutrache gegen den Jäger, der ihren Kameraden gefällt hat. Darum forschen sie so lange, bis sie den Thäter kennen, und wenn dieser auch gefällt wird, halten sie es nicht für Mord. Sonst aber scheuen sie sich, Einen unter sich zu dulden, dem unschuldig Blut an den Fingern klebt, weil dieser dem ganzen Streifzug Unheil brächte. Können die Wilderer aber ihren Bruder nicht finden <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0014"/> Zuchthaus wandert, immer den klingenden Frühling im Sinn, der ihn wieder einmal im Walde sieht.</p><lb/> <p>Eigene Bräuche üben sie bei Bestattung der Todten. Ist einer der Gesellen kalt, so ziehen sich von beiden Seiten Jäger und Wilderer rasch zurück. Entweder schleppen die Bauern den Todten alsbald mit, denn sie halten redlich zusammen, schon aus Aberglauben und damit man an dem Todten nicht die Lebendigen erkenne; oder sie holen ihn später, wenn sie erst an einem sichern Ort die Gewehre versteckt haben — und die Jäger lassen es gern geschehen.</p><lb/> <p>Dann erfährt Niemand etwas weiter von dem Todten; sie graben ein Grab im tiefsten Wald und decken ihn mit Heidekraut, Erde und Felsen. Einer spricht ein Ave — denn die im Bad'ner Land sind viel katholisch — und Alles ist vergessen, bis sie nach Hause kommen und der armen Seele noch ein paar Messen lesen lassen.</p><lb/> <p>Nicht Richter noch Schreiber sind zu diesen Ceremonien nöthig. Nur eins behalten sie ewig: die Blutrache gegen den Jäger, der ihren Kameraden gefällt hat. Darum forschen sie so lange, bis sie den Thäter kennen, und wenn dieser auch gefällt wird, halten sie es nicht für Mord. Sonst aber scheuen sie sich, Einen unter sich zu dulden, dem unschuldig Blut an den Fingern klebt, weil dieser dem ganzen Streifzug Unheil brächte.</p><lb/> <p>Können die Wilderer aber ihren Bruder nicht finden<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0014]
Zuchthaus wandert, immer den klingenden Frühling im Sinn, der ihn wieder einmal im Walde sieht.
Eigene Bräuche üben sie bei Bestattung der Todten. Ist einer der Gesellen kalt, so ziehen sich von beiden Seiten Jäger und Wilderer rasch zurück. Entweder schleppen die Bauern den Todten alsbald mit, denn sie halten redlich zusammen, schon aus Aberglauben und damit man an dem Todten nicht die Lebendigen erkenne; oder sie holen ihn später, wenn sie erst an einem sichern Ort die Gewehre versteckt haben — und die Jäger lassen es gern geschehen.
Dann erfährt Niemand etwas weiter von dem Todten; sie graben ein Grab im tiefsten Wald und decken ihn mit Heidekraut, Erde und Felsen. Einer spricht ein Ave — denn die im Bad'ner Land sind viel katholisch — und Alles ist vergessen, bis sie nach Hause kommen und der armen Seele noch ein paar Messen lesen lassen.
Nicht Richter noch Schreiber sind zu diesen Ceremonien nöthig. Nur eins behalten sie ewig: die Blutrache gegen den Jäger, der ihren Kameraden gefällt hat. Darum forschen sie so lange, bis sie den Thäter kennen, und wenn dieser auch gefällt wird, halten sie es nicht für Mord. Sonst aber scheuen sie sich, Einen unter sich zu dulden, dem unschuldig Blut an den Fingern klebt, weil dieser dem ganzen Streifzug Unheil brächte.
Können die Wilderer aber ihren Bruder nicht finden
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