Widmann, Adolf: Die katholische Mühle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 161–232. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.reichen Bauern nicht länger neidisch sein um Aecker, Vieh und Weiden. Manchmal mußte freilich Einer bluten, oder kam gar nicht mehr nach Hause; aber dann hatten seine Kameraden nur eine Wollust weiter in der Blutrache an Jäger und Zöllner. Abgelassen hat darum Keiner; wenn er auch Jahrelang im Zuchthaus schmachtete und dort ein Handwerk lernen mußte und endlich heimkehrte ins Dorf, um ehrlich zu leben: -- des Abends, wenn der Mond ausging und von der Waldwiese ein Rehruf klang, zog es ihn an die verrostete Büchse. Er nahm sie von der Wand. Das Schloß ging hart und schwer. Solltest es doch schmieren, denkt er, und zärtlich, wie sein Kind, putzt er die Waffe blank. Das glitzert so fein, das läßt sich so schön! Husch! schlüpft er durch die niedere Thür und schlupft in den Wald; was das ein lustig Leben ist! Da kommt das Reh -- er legt an; sein scharfes Auge sieht zugleich den Jäger, der ihn ins Zuchthaus gebracht; er ruckt -- der Grünrock wälzt sich im Blute, und der Bursch treibt's wilder als zuvor. Nicht als ob die Gegend darum unsicher wäre; es ist nur ein Krieg zwischen Jäger und Wilddieb. Wer ohne Büchse wandert, mag ruhig durch den dicksten Wald ziehen. Wo man ein steinernes Kreuz findet, zum Zeichen, daß hier schändlicher Friedbruch geübt ward, da ist's halbumgestürzt, hohes Riedgras wächst über der Schuld, und Moos verhüllt den eingegrabenen Spruch. reichen Bauern nicht länger neidisch sein um Aecker, Vieh und Weiden. Manchmal mußte freilich Einer bluten, oder kam gar nicht mehr nach Hause; aber dann hatten seine Kameraden nur eine Wollust weiter in der Blutrache an Jäger und Zöllner. Abgelassen hat darum Keiner; wenn er auch Jahrelang im Zuchthaus schmachtete und dort ein Handwerk lernen mußte und endlich heimkehrte ins Dorf, um ehrlich zu leben: — des Abends, wenn der Mond ausging und von der Waldwiese ein Rehruf klang, zog es ihn an die verrostete Büchse. Er nahm sie von der Wand. Das Schloß ging hart und schwer. Solltest es doch schmieren, denkt er, und zärtlich, wie sein Kind, putzt er die Waffe blank. Das glitzert so fein, das läßt sich so schön! Husch! schlüpft er durch die niedere Thür und schlupft in den Wald; was das ein lustig Leben ist! Da kommt das Reh — er legt an; sein scharfes Auge sieht zugleich den Jäger, der ihn ins Zuchthaus gebracht; er ruckt — der Grünrock wälzt sich im Blute, und der Bursch treibt's wilder als zuvor. Nicht als ob die Gegend darum unsicher wäre; es ist nur ein Krieg zwischen Jäger und Wilddieb. Wer ohne Büchse wandert, mag ruhig durch den dicksten Wald ziehen. Wo man ein steinernes Kreuz findet, zum Zeichen, daß hier schändlicher Friedbruch geübt ward, da ist's halbumgestürzt, hohes Riedgras wächst über der Schuld, und Moos verhüllt den eingegrabenen Spruch. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0011"/> reichen Bauern nicht länger neidisch sein um Aecker, Vieh und Weiden.</p><lb/> <p>Manchmal mußte freilich Einer bluten, oder kam gar nicht mehr nach Hause; aber dann hatten seine Kameraden nur eine Wollust weiter in der Blutrache an Jäger und Zöllner. Abgelassen hat darum Keiner; wenn er auch Jahrelang im Zuchthaus schmachtete und dort ein Handwerk lernen mußte und endlich heimkehrte ins Dorf, um ehrlich zu leben: — des Abends, wenn der Mond ausging und von der Waldwiese ein Rehruf klang, zog es ihn an die verrostete Büchse. Er nahm sie von der Wand. Das Schloß ging hart und schwer. Solltest es doch schmieren, denkt er, und zärtlich, wie sein Kind, putzt er die Waffe blank. Das glitzert so fein, das läßt sich so schön! Husch! schlüpft er durch die niedere Thür und schlupft in den Wald; was das ein lustig Leben ist! Da kommt das Reh — er legt an; sein scharfes Auge sieht zugleich den Jäger, der ihn ins Zuchthaus gebracht; er ruckt — der Grünrock wälzt sich im Blute, und der Bursch treibt's wilder als zuvor.</p><lb/> <p>Nicht als ob die Gegend darum unsicher wäre; es ist nur ein Krieg zwischen Jäger und Wilddieb. Wer ohne Büchse wandert, mag ruhig durch den dicksten Wald ziehen. Wo man ein steinernes Kreuz findet, zum Zeichen, daß hier schändlicher Friedbruch geübt ward, da ist's halbumgestürzt, hohes Riedgras wächst über der Schuld, und Moos verhüllt den eingegrabenen Spruch.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0011]
reichen Bauern nicht länger neidisch sein um Aecker, Vieh und Weiden.
Manchmal mußte freilich Einer bluten, oder kam gar nicht mehr nach Hause; aber dann hatten seine Kameraden nur eine Wollust weiter in der Blutrache an Jäger und Zöllner. Abgelassen hat darum Keiner; wenn er auch Jahrelang im Zuchthaus schmachtete und dort ein Handwerk lernen mußte und endlich heimkehrte ins Dorf, um ehrlich zu leben: — des Abends, wenn der Mond ausging und von der Waldwiese ein Rehruf klang, zog es ihn an die verrostete Büchse. Er nahm sie von der Wand. Das Schloß ging hart und schwer. Solltest es doch schmieren, denkt er, und zärtlich, wie sein Kind, putzt er die Waffe blank. Das glitzert so fein, das läßt sich so schön! Husch! schlüpft er durch die niedere Thür und schlupft in den Wald; was das ein lustig Leben ist! Da kommt das Reh — er legt an; sein scharfes Auge sieht zugleich den Jäger, der ihn ins Zuchthaus gebracht; er ruckt — der Grünrock wälzt sich im Blute, und der Bursch treibt's wilder als zuvor.
Nicht als ob die Gegend darum unsicher wäre; es ist nur ein Krieg zwischen Jäger und Wilddieb. Wer ohne Büchse wandert, mag ruhig durch den dicksten Wald ziehen. Wo man ein steinernes Kreuz findet, zum Zeichen, daß hier schändlicher Friedbruch geübt ward, da ist's halbumgestürzt, hohes Riedgras wächst über der Schuld, und Moos verhüllt den eingegrabenen Spruch.
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