Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Da ist nichts abzuwarten, meinte der Gutsbesitzer, die Sache ist fest. Ich habe das Grundstück gekauft, und es gehört mir; aber ich will gleichwohl nicht, daß du zu Schaden kommst, Ansas. Du bist ein Thor gewesen, daß du nicht zum Termine hier bliebst. Freilich konntest du nicht wissen, daß die Karalene mit Tod abgehen und das Grundstück dadurch einen hübschen Groschen im Preise steigen würde, aber ein verständiger Mensch läuft doch nicht davon, um seine wichtigsten Angelegenheiten dem Zufall zu überlassen. Was ist die Folge gewesen? Ich habe spottbillig gekauft, weit unter dem Werthe, wie ich ihn allezeit geschätzt habe. Wenn ich nun sagen wollte: das ist eine Sache für sich, und gekauft ist gekauft, so könnte kein Mensch mir etwas anhaben, und auch vor Gott wär's keine Hundsfötterei. Aber ich will keinen Vortheil machen durch deine Unvorsichtigkeit und Nachlässigkeit, Ansas, sondern christlich mit meinem alten Nachbar verfahren. Es soll so sein, als ob ich von dir selbst gekauft hätte, ungefähr zu dem Preise, den ich dir früher einmal genannt habe, die Verwahrlosung des Grundstücks in der Zwischenzeit abgerechnet. Deinen Vater hab' ich schon abgefunden, und er hat mir die Hand geküßt; deine Schwester Mare werde ich ausstatten, wenn sich zu ihr ein Mann findet, und dir -- nun dir gebe ich hier aus freien Stücken dreihundert Thaler Kaufgeld. Damit ist dann, meine ich, reiner Tisch gemacht. Da ist nichts abzuwarten, meinte der Gutsbesitzer, die Sache ist fest. Ich habe das Grundstück gekauft, und es gehört mir; aber ich will gleichwohl nicht, daß du zu Schaden kommst, Ansas. Du bist ein Thor gewesen, daß du nicht zum Termine hier bliebst. Freilich konntest du nicht wissen, daß die Karalene mit Tod abgehen und das Grundstück dadurch einen hübschen Groschen im Preise steigen würde, aber ein verständiger Mensch läuft doch nicht davon, um seine wichtigsten Angelegenheiten dem Zufall zu überlassen. Was ist die Folge gewesen? Ich habe spottbillig gekauft, weit unter dem Werthe, wie ich ihn allezeit geschätzt habe. Wenn ich nun sagen wollte: das ist eine Sache für sich, und gekauft ist gekauft, so könnte kein Mensch mir etwas anhaben, und auch vor Gott wär's keine Hundsfötterei. Aber ich will keinen Vortheil machen durch deine Unvorsichtigkeit und Nachlässigkeit, Ansas, sondern christlich mit meinem alten Nachbar verfahren. Es soll so sein, als ob ich von dir selbst gekauft hätte, ungefähr zu dem Preise, den ich dir früher einmal genannt habe, die Verwahrlosung des Grundstücks in der Zwischenzeit abgerechnet. Deinen Vater hab' ich schon abgefunden, und er hat mir die Hand geküßt; deine Schwester Mare werde ich ausstatten, wenn sich zu ihr ein Mann findet, und dir — nun dir gebe ich hier aus freien Stücken dreihundert Thaler Kaufgeld. Damit ist dann, meine ich, reiner Tisch gemacht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0083"/> <p>Da ist nichts abzuwarten, meinte der Gutsbesitzer, die Sache ist fest. Ich habe das Grundstück gekauft, und es gehört mir; aber ich will gleichwohl nicht, daß du zu Schaden kommst, Ansas. Du bist ein Thor gewesen, daß du nicht zum Termine hier bliebst. Freilich konntest du nicht wissen, daß die Karalene mit Tod abgehen und das Grundstück dadurch einen hübschen Groschen im Preise steigen würde, aber ein verständiger Mensch läuft doch nicht davon, um seine wichtigsten Angelegenheiten dem Zufall zu überlassen. Was ist die Folge gewesen? Ich habe spottbillig gekauft, weit unter dem Werthe, wie ich ihn allezeit geschätzt habe. Wenn ich nun sagen wollte: das ist eine Sache für sich, und gekauft ist gekauft, so könnte kein Mensch mir etwas anhaben, und auch vor Gott wär's keine Hundsfötterei. Aber ich will keinen Vortheil machen durch deine Unvorsichtigkeit und Nachlässigkeit, Ansas, sondern christlich mit meinem alten Nachbar verfahren. Es soll so sein, als ob ich von dir selbst gekauft hätte, ungefähr zu dem Preise, den ich dir früher einmal genannt habe, die Verwahrlosung des Grundstücks in der Zwischenzeit abgerechnet. Deinen Vater hab' ich schon abgefunden, und er hat mir die Hand geküßt; deine Schwester Mare werde ich ausstatten, wenn sich zu ihr ein Mann findet, und dir — nun dir gebe ich hier aus freien Stücken dreihundert Thaler Kaufgeld. Damit ist dann, meine ich, reiner Tisch gemacht.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0083]
Da ist nichts abzuwarten, meinte der Gutsbesitzer, die Sache ist fest. Ich habe das Grundstück gekauft, und es gehört mir; aber ich will gleichwohl nicht, daß du zu Schaden kommst, Ansas. Du bist ein Thor gewesen, daß du nicht zum Termine hier bliebst. Freilich konntest du nicht wissen, daß die Karalene mit Tod abgehen und das Grundstück dadurch einen hübschen Groschen im Preise steigen würde, aber ein verständiger Mensch läuft doch nicht davon, um seine wichtigsten Angelegenheiten dem Zufall zu überlassen. Was ist die Folge gewesen? Ich habe spottbillig gekauft, weit unter dem Werthe, wie ich ihn allezeit geschätzt habe. Wenn ich nun sagen wollte: das ist eine Sache für sich, und gekauft ist gekauft, so könnte kein Mensch mir etwas anhaben, und auch vor Gott wär's keine Hundsfötterei. Aber ich will keinen Vortheil machen durch deine Unvorsichtigkeit und Nachlässigkeit, Ansas, sondern christlich mit meinem alten Nachbar verfahren. Es soll so sein, als ob ich von dir selbst gekauft hätte, ungefähr zu dem Preise, den ich dir früher einmal genannt habe, die Verwahrlosung des Grundstücks in der Zwischenzeit abgerechnet. Deinen Vater hab' ich schon abgefunden, und er hat mir die Hand geküßt; deine Schwester Mare werde ich ausstatten, wenn sich zu ihr ein Mann findet, und dir — nun dir gebe ich hier aus freien Stücken dreihundert Thaler Kaufgeld. Damit ist dann, meine ich, reiner Tisch gemacht.
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Zitationshilfe: | Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wichert_grita_1910/83>, abgerufen am 18.07.2024. |