Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Als die Karalene begraben wurde, fehlte Grita im Gefolge. Sie lag schwer krank zu Bette und ächzte und stöhnte wie eine Sterbende. --

Ansas Wanags hatte eine beschwerliche Reise zu überstehen gehabt. So knapp er sich auch einrichtete, seine Mittel gingen bald zu Ende, und er mußte nun bei mitleidigen Bauersleuten um einen Platz an ihrem Tisch und um ein Unterkommen zur Nacht bitten. Er hatte sich's doch zu leicht gedacht, die mehr als hundert Meilen zu Fuß zurückzulegen. Das Wetter war abscheulich; Tage lang strömten die kalten Herbstregen nieder und durchweichten seinen Pelz; sein Schuhwerk hielt den schlechten Wegen nicht Stand und fing an sich zu lösen. Manche Nacht mußte er unter freiem Himmel oder in einer offenen Einfahrt zubringen, und selten nur fand sich eine Gelegenheit, eine Strecke zu fahren. Seine eiserne Natur und seine Zähigkeit überwanden zwar manches Ungemach, aber zuletzt schleppte er sich nur noch mühsam mit wunden Füßen und fieberkrank fort. Es blieb ihm nichts übrig, als in einem Städtchen das öffentliche Spital aufzusuchen. Erst nach zwei Wochen wurde er von dort entlassen und setzte nun wieder eilig seinen Weg nach Berlin fort. Endlich erreichte er sein Ziel, aber sehr viel später, als er vorausgesetzt hatte.

In Berlin war er von seiner Militärzeit her bekannt. Er suchte die Plätze auf, an denen seine Compagnie sich zu sammeln und zu exerciren pflegte,

Als die Karalene begraben wurde, fehlte Grita im Gefolge. Sie lag schwer krank zu Bette und ächzte und stöhnte wie eine Sterbende. —

Ansas Wanags hatte eine beschwerliche Reise zu überstehen gehabt. So knapp er sich auch einrichtete, seine Mittel gingen bald zu Ende, und er mußte nun bei mitleidigen Bauersleuten um einen Platz an ihrem Tisch und um ein Unterkommen zur Nacht bitten. Er hatte sich's doch zu leicht gedacht, die mehr als hundert Meilen zu Fuß zurückzulegen. Das Wetter war abscheulich; Tage lang strömten die kalten Herbstregen nieder und durchweichten seinen Pelz; sein Schuhwerk hielt den schlechten Wegen nicht Stand und fing an sich zu lösen. Manche Nacht mußte er unter freiem Himmel oder in einer offenen Einfahrt zubringen, und selten nur fand sich eine Gelegenheit, eine Strecke zu fahren. Seine eiserne Natur und seine Zähigkeit überwanden zwar manches Ungemach, aber zuletzt schleppte er sich nur noch mühsam mit wunden Füßen und fieberkrank fort. Es blieb ihm nichts übrig, als in einem Städtchen das öffentliche Spital aufzusuchen. Erst nach zwei Wochen wurde er von dort entlassen und setzte nun wieder eilig seinen Weg nach Berlin fort. Endlich erreichte er sein Ziel, aber sehr viel später, als er vorausgesetzt hatte.

In Berlin war er von seiner Militärzeit her bekannt. Er suchte die Plätze auf, an denen seine Compagnie sich zu sammeln und zu exerciren pflegte,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0067"/>
        <p>Als die Karalene begraben wurde, fehlte Grita im Gefolge. Sie lag schwer krank zu                     Bette und ächzte und stöhnte wie eine Sterbende. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Ansas Wanags hatte eine beschwerliche Reise zu überstehen gehabt. So knapp er                     sich auch einrichtete, seine Mittel gingen bald zu Ende, und er mußte nun bei                     mitleidigen Bauersleuten um einen Platz an ihrem Tisch und um ein Unterkommen                     zur Nacht bitten. Er hatte sich's doch zu leicht gedacht, die mehr als hundert                     Meilen zu Fuß zurückzulegen. Das Wetter war abscheulich; Tage lang strömten die                     kalten Herbstregen nieder und durchweichten seinen Pelz; sein Schuhwerk hielt                     den schlechten Wegen nicht Stand und fing an sich zu lösen. Manche Nacht mußte                     er unter freiem Himmel oder in einer offenen Einfahrt zubringen, und selten nur                     fand sich eine Gelegenheit, eine Strecke zu fahren. Seine eiserne Natur und                     seine Zähigkeit überwanden zwar manches Ungemach, aber zuletzt schleppte er sich                     nur noch mühsam mit wunden Füßen und fieberkrank fort. Es blieb ihm nichts                     übrig, als in einem Städtchen das öffentliche Spital aufzusuchen. Erst nach zwei                     Wochen wurde er von dort entlassen und setzte nun wieder eilig seinen Weg nach                     Berlin fort. Endlich erreichte er sein Ziel, aber sehr viel später, als er                     vorausgesetzt hatte.</p><lb/>
        <p>In Berlin war er von seiner Militärzeit her bekannt. Er suchte die Plätze auf, an                     denen seine Compagnie sich zu sammeln und zu exerciren pflegte,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0067] Als die Karalene begraben wurde, fehlte Grita im Gefolge. Sie lag schwer krank zu Bette und ächzte und stöhnte wie eine Sterbende. — Ansas Wanags hatte eine beschwerliche Reise zu überstehen gehabt. So knapp er sich auch einrichtete, seine Mittel gingen bald zu Ende, und er mußte nun bei mitleidigen Bauersleuten um einen Platz an ihrem Tisch und um ein Unterkommen zur Nacht bitten. Er hatte sich's doch zu leicht gedacht, die mehr als hundert Meilen zu Fuß zurückzulegen. Das Wetter war abscheulich; Tage lang strömten die kalten Herbstregen nieder und durchweichten seinen Pelz; sein Schuhwerk hielt den schlechten Wegen nicht Stand und fing an sich zu lösen. Manche Nacht mußte er unter freiem Himmel oder in einer offenen Einfahrt zubringen, und selten nur fand sich eine Gelegenheit, eine Strecke zu fahren. Seine eiserne Natur und seine Zähigkeit überwanden zwar manches Ungemach, aber zuletzt schleppte er sich nur noch mühsam mit wunden Füßen und fieberkrank fort. Es blieb ihm nichts übrig, als in einem Städtchen das öffentliche Spital aufzusuchen. Erst nach zwei Wochen wurde er von dort entlassen und setzte nun wieder eilig seinen Weg nach Berlin fort. Endlich erreichte er sein Ziel, aber sehr viel später, als er vorausgesetzt hatte. In Berlin war er von seiner Militärzeit her bekannt. Er suchte die Plätze auf, an denen seine Compagnie sich zu sammeln und zu exerciren pflegte,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:07:21Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:07:21Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wichert_grita_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wichert_grita_1910/67
Zitationshilfe: Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wichert_grita_1910/67>, abgerufen am 24.11.2024.