Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Unsinnigste, was Ansas ihr nachsagen konnte, dem Mädchen ganz zutreffend schien. Glaubte sie doch, daß die Alte ihrer Verbindung mit dem Wirth entgegen sei und ihr das Haus schließen wolle. Geelhaar hatte seinen Inspector zum gerichtlichen Verwalter bestellen lassen; aber als derselbe in dieser Eigenschaft ein zum Bauerngrund gehöriges Ackerstück betrat, um dort Arbeiten vornehmen zu lassen, gab es einen bösen Auftritt. Ansas pfändete ihn und drohte mit Schlägen, wenn er sich wieder blicken lasse. Das ist littauisches Feld, rief er, und darauf bin ich Herr, so lange ich lebe. Wenn die Andern sich von ihrer Väter Erbe haben austreiben lassen, so ist das ihre Sache. Ich aber leide nicht, daß ein Deutscher seinen Fuß auf mein Land setzt, und wer's versucht, dem soll's übel bekommen. Ich habe ein Gewehr zu Hause und weiß damit umzugehen! -- Der Inspector zog sich zurück, aber sein Herr war unzufrieden, daß er sich hatte schrecken lassen. Er schickte ihn am folgenden Tage wieder hin und ging selbst mit. Aber Wanags paßte auf. Er nahm wirklich ein Gewehr auf die Schulter, das sein Großvater einmal aus dem französischen Kriege mitgebracht, und ging aufs Feld ihnen entgegen. Es kam wieder zu starken Wechselreden, aber Geelhaar ließ sich nicht so leicht schrecken. Das sind Dummheiten, Ansas, sagte er in seiner trocknen Weise. Was willst du? Der König hat einen Verwalter eingesetzt, und dem mußt du gehorchen Unsinnigste, was Ansas ihr nachsagen konnte, dem Mädchen ganz zutreffend schien. Glaubte sie doch, daß die Alte ihrer Verbindung mit dem Wirth entgegen sei und ihr das Haus schließen wolle. Geelhaar hatte seinen Inspector zum gerichtlichen Verwalter bestellen lassen; aber als derselbe in dieser Eigenschaft ein zum Bauerngrund gehöriges Ackerstück betrat, um dort Arbeiten vornehmen zu lassen, gab es einen bösen Auftritt. Ansas pfändete ihn und drohte mit Schlägen, wenn er sich wieder blicken lasse. Das ist littauisches Feld, rief er, und darauf bin ich Herr, so lange ich lebe. Wenn die Andern sich von ihrer Väter Erbe haben austreiben lassen, so ist das ihre Sache. Ich aber leide nicht, daß ein Deutscher seinen Fuß auf mein Land setzt, und wer's versucht, dem soll's übel bekommen. Ich habe ein Gewehr zu Hause und weiß damit umzugehen! — Der Inspector zog sich zurück, aber sein Herr war unzufrieden, daß er sich hatte schrecken lassen. Er schickte ihn am folgenden Tage wieder hin und ging selbst mit. Aber Wanags paßte auf. Er nahm wirklich ein Gewehr auf die Schulter, das sein Großvater einmal aus dem französischen Kriege mitgebracht, und ging aufs Feld ihnen entgegen. Es kam wieder zu starken Wechselreden, aber Geelhaar ließ sich nicht so leicht schrecken. Das sind Dummheiten, Ansas, sagte er in seiner trocknen Weise. Was willst du? Der König hat einen Verwalter eingesetzt, und dem mußt du gehorchen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0050"/> Unsinnigste, was Ansas ihr nachsagen konnte, dem Mädchen ganz zutreffend schien. Glaubte sie doch, daß die Alte ihrer Verbindung mit dem Wirth entgegen sei und ihr das Haus schließen wolle.</p><lb/> <p>Geelhaar hatte seinen Inspector zum gerichtlichen Verwalter bestellen lassen; aber als derselbe in dieser Eigenschaft ein zum Bauerngrund gehöriges Ackerstück betrat, um dort Arbeiten vornehmen zu lassen, gab es einen bösen Auftritt. Ansas pfändete ihn und drohte mit Schlägen, wenn er sich wieder blicken lasse. Das ist littauisches Feld, rief er, und darauf bin ich Herr, so lange ich lebe. Wenn die Andern sich von ihrer Väter Erbe haben austreiben lassen, so ist das ihre Sache. Ich aber leide nicht, daß ein Deutscher seinen Fuß auf mein Land setzt, und wer's versucht, dem soll's übel bekommen. Ich habe ein Gewehr zu Hause und weiß damit umzugehen! — Der Inspector zog sich zurück, aber sein Herr war unzufrieden, daß er sich hatte schrecken lassen. Er schickte ihn am folgenden Tage wieder hin und ging selbst mit. Aber Wanags paßte auf. Er nahm wirklich ein Gewehr auf die Schulter, das sein Großvater einmal aus dem französischen Kriege mitgebracht, und ging aufs Feld ihnen entgegen. Es kam wieder zu starken Wechselreden, aber Geelhaar ließ sich nicht so leicht schrecken. Das sind Dummheiten, Ansas, sagte er in seiner trocknen Weise. Was willst du? Der König hat einen Verwalter eingesetzt, und dem mußt du gehorchen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0050]
Unsinnigste, was Ansas ihr nachsagen konnte, dem Mädchen ganz zutreffend schien. Glaubte sie doch, daß die Alte ihrer Verbindung mit dem Wirth entgegen sei und ihr das Haus schließen wolle.
Geelhaar hatte seinen Inspector zum gerichtlichen Verwalter bestellen lassen; aber als derselbe in dieser Eigenschaft ein zum Bauerngrund gehöriges Ackerstück betrat, um dort Arbeiten vornehmen zu lassen, gab es einen bösen Auftritt. Ansas pfändete ihn und drohte mit Schlägen, wenn er sich wieder blicken lasse. Das ist littauisches Feld, rief er, und darauf bin ich Herr, so lange ich lebe. Wenn die Andern sich von ihrer Väter Erbe haben austreiben lassen, so ist das ihre Sache. Ich aber leide nicht, daß ein Deutscher seinen Fuß auf mein Land setzt, und wer's versucht, dem soll's übel bekommen. Ich habe ein Gewehr zu Hause und weiß damit umzugehen! — Der Inspector zog sich zurück, aber sein Herr war unzufrieden, daß er sich hatte schrecken lassen. Er schickte ihn am folgenden Tage wieder hin und ging selbst mit. Aber Wanags paßte auf. Er nahm wirklich ein Gewehr auf die Schulter, das sein Großvater einmal aus dem französischen Kriege mitgebracht, und ging aufs Feld ihnen entgegen. Es kam wieder zu starken Wechselreden, aber Geelhaar ließ sich nicht so leicht schrecken. Das sind Dummheiten, Ansas, sagte er in seiner trocknen Weise. Was willst du? Der König hat einen Verwalter eingesetzt, und dem mußt du gehorchen
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Zitationshilfe: | Wichert, Ernst: Ansas und Grita. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 14. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–300. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wichert_grita_1910/50>, abgerufen am 16.07.2024. |