sagte er, sind meine Voreltern vom Anfan- ge her gewesen: der Mensch war in ihren Mauren ihr geheiligter, unverletzlicher Freund, und außer denselben jederzeit ihr Feind. Der weise Allah*) theilte seine Güter unter seine Kinder aus; wer keine Portion davon be- kam, muß sie sich verschaffen, oder darben. Ich wage mein Leben, um eine zu erhal- ten: mein Gegner wage das seinige, um seine zu behalten: wohlan! der Tapferste ist der Besitzer. Der Elende, der Arme, der Kranke, der sich nicht in den Streit mengen und Wohlseyn und Bequemlichkeit erkämpfen kann, muß der Sklave des Mäch- tigern seyn, oder von seinem Wohlthaten leben. Jeder rechtschaffne Araber hätte Dich in sein Haus, wie in eine Freystätte aufge- nommen, weil Du ihrer bedurftest; Du warst zu elend, mein Sklave zu seyn: ich mußte also dein Wohlthäter werden; und so lange Du in meinem Bezirke wohnst, höre ich nie auf, dies zu seyn: Du bist der Sohn meiner Familie. --
Aber
*) Das höchfte Wesen.
ſagte er, ſind meine Voreltern vom Anfan- ge her geweſen: der Menſch war in ihren Mauren ihr geheiligter, unverletzlicher Freund, und außer denſelben jederzeit ihr Feind. Der weiſe Allah*) theilte ſeine Guͤter unter ſeine Kinder aus; wer keine Portion davon be- kam, muß ſie ſich verſchaffen, oder darben. Ich wage mein Leben, um eine zu erhal- ten: mein Gegner wage das ſeinige, um ſeine zu behalten: wohlan! der Tapferſte iſt der Beſitzer. Der Elende, der Arme, der Kranke, der ſich nicht in den Streit mengen und Wohlſeyn und Bequemlichkeit erkaͤmpfen kann, muß der Sklave des Maͤch- tigern ſeyn, oder von ſeinem Wohlthaten leben. Jeder rechtſchaffne Araber haͤtte Dich in ſein Haus, wie in eine Freyſtaͤtte aufge- nommen, weil Du ihrer bedurfteſt; Du warſt zu elend, mein Sklave zu ſeyn: ich mußte alſo dein Wohlthaͤter werden; und ſo lange Du in meinem Bezirke wohnſt, hoͤre ich nie auf, dies zu ſeyn: Du biſt der Sohn meiner Familie. —
Aber
*) Das hoͤchfte Weſen.
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ſagte er, ſind meine Voreltern vom Anfan-
ge her geweſen: der Menſch war in ihren
Mauren ihr geheiligter, unverletzlicher Freund,
und außer denſelben jederzeit ihr Feind. Der
weiſe Allah *) theilte ſeine Guͤter unter ſeine
Kinder aus; wer keine Portion davon be-
kam, muß ſie ſich verſchaffen, oder darben.
Ich wage mein Leben, um eine zu erhal-
ten: mein Gegner wage das ſeinige, um
ſeine zu behalten: wohlan! der Tapferſte
iſt der Beſitzer. Der Elende, der Arme,
der Kranke, der ſich nicht in den Streit
mengen und Wohlſeyn und Bequemlichkeit
erkaͤmpfen kann, muß der Sklave des Maͤch-
tigern ſeyn, oder von ſeinem Wohlthaten
leben. Jeder rechtſchaffne Araber haͤtte Dich
in ſein Haus, wie in eine Freyſtaͤtte aufge-
nommen, weil Du ihrer bedurfteſt; Du warſt
zu elend, mein Sklave zu ſeyn: ich mußte
alſo dein Wohlthaͤter werden; und ſo lange
Du in meinem Bezirke wohnſt, hoͤre ich
nie auf, dies zu ſeyn: Du biſt der Sohn
meiner Familie. —
Aber
*) Das hoͤchfte Weſen.
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/60>, abgerufen am 27.11.2024.
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