che Geschlecht in seinen Augen so erniedrigt hatte, daß er eine solche Denkungsart von einem Mitgliede desselben gar nicht mehr er- wartete. Der Räuber schenkte ihm eins von den schönen Kleidern, die er mit seiner lezten Beute erobert hatte, gab ihm verschie- dene andre Kostbarkeiten und ließ ihm nicht die mindeste Bequemlichkeit mangeln.
Belphegor wurde durch diesen freygebi- gen Räuber mit dem Menschen um vieles wieder ausgesöhnt: nur blieb es ihm ein unauflösliches Räzel, das oft sein Nachsin- nen deschäftigte, wie man so vortreflich und so schlecht zu gleicher Zeit handeln, zu glei- cher Zeit so gutdenkend und ein Räuber seyn könne. Da er keine befriedigende Erklä- rung dieses Phänomens zu finden im Stan- de war, so wandte er sich an seinen Wohl- thäter selbst und legte ihm die große Frage vor, deren Beantwortung ihm so schwer fiel. Der Araber war ungemein erstaunt, daß er so fragen konnte, und versicherte, daß er nicht begreife, warum jene beiden Dinge nicht beysammen seyn sollten, da das eine sowohl wie das andre, eine gute wohlanständige Sache wäre. -- Gastfrey,
sagte
D 4
che Geſchlecht in ſeinen Augen ſo erniedrigt hatte, daß er eine ſolche Denkungsart von einem Mitgliede deſſelben gar nicht mehr er- wartete. Der Raͤuber ſchenkte ihm eins von den ſchoͤnen Kleidern, die er mit ſeiner lezten Beute erobert hatte, gab ihm verſchie- dene andre Koſtbarkeiten und ließ ihm nicht die mindeſte Bequemlichkeit mangeln.
Belphegor wurde durch dieſen freygebi- gen Raͤuber mit dem Menſchen um vieles wieder ausgeſoͤhnt: nur blieb es ihm ein unaufloͤsliches Raͤzel, das oft ſein Nachſin- nen deſchaͤftigte, wie man ſo vortreflich und ſo ſchlecht zu gleicher Zeit handeln, zu glei- cher Zeit ſo gutdenkend und ein Raͤuber ſeyn koͤnne. Da er keine befriedigende Erklaͤ- rung dieſes Phaͤnomens zu finden im Stan- de war, ſo wandte er ſich an ſeinen Wohl- thaͤter ſelbſt und legte ihm die große Frage vor, deren Beantwortung ihm ſo ſchwer fiel. Der Araber war ungemein erſtaunt, daß er ſo fragen konnte, und verſicherte, daß er nicht begreife, warum jene beiden Dinge nicht beyſammen ſeyn ſollten, da das eine ſowohl wie das andre, eine gute wohlanſtaͤndige Sache waͤre. — Gaſtfrey,
ſagte
D 4
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che Geſchlecht in ſeinen Augen ſo erniedrigt
hatte, daß er eine ſolche Denkungsart von
einem Mitgliede deſſelben gar nicht mehr er-
wartete. Der Raͤuber ſchenkte ihm eins
von den ſchoͤnen Kleidern, die er mit ſeiner
lezten Beute erobert hatte, gab ihm verſchie-
dene andre Koſtbarkeiten und ließ ihm nicht
die mindeſte Bequemlichkeit mangeln.
Belphegor wurde durch dieſen freygebi-
gen Raͤuber mit dem Menſchen um vieles
wieder ausgeſoͤhnt: nur blieb es ihm ein
unaufloͤsliches Raͤzel, das oft ſein Nachſin-
nen deſchaͤftigte, wie man ſo vortreflich und
ſo ſchlecht zu gleicher Zeit handeln, zu glei-
cher Zeit ſo gutdenkend und ein Raͤuber ſeyn
koͤnne. Da er keine befriedigende Erklaͤ-
rung dieſes Phaͤnomens zu finden im Stan-
de war, ſo wandte er ſich an ſeinen Wohl-
thaͤter ſelbſt und legte ihm die große Frage
vor, deren Beantwortung ihm ſo ſchwer
fiel. Der Araber war ungemein erſtaunt,
daß er ſo fragen konnte, und verſicherte,
daß er nicht begreife, warum jene beiden
Dinge nicht beyſammen ſeyn ſollten, da
das eine ſowohl wie das andre, eine gute
wohlanſtaͤndige Sache waͤre. — Gaſtfrey,
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/59>, abgerufen am 27.11.2024.
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