Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Ruf einer Stimme erweckte. Er schlug die
Augen auf und wurde einen Mann gewahr,
der ihn arabisch anredete. So wenig er
auch von der Sprache wußte, so konnte er
doch seine Begebenheit und sein Verlangen
nach Hülfe darinne ausdrücken. Der Ara-
ber machte sogleich die großmüthige Anstalt
ihn fortzuschaffen, und ließ ihn auf ein Ka-
meel laden, daß er kurz vorher nebst etlichen
andern einer reisenden Karavane abgenom-
men hatte, wobey er seinen Leuten den Be-
fehl gab, den Verwundeten in sein Schloß
zu bringen und bis zu seiner Ankunft gehö-
rig zu pflegen. Der Mitleidige war, wie
man leicht merkt, gleichfalls ein Räuber
von Profession, kam in einigen Wochen auf
sein Schloß zurück und fand Belphegorn
von seinen Wunden geheilt. Er war so
edelmüthig, jeden Dank von sich abzuleh-
nen, und bot ihm Wohnung und Tafel auf
so lange Zeit an, als ihm beliebte. Bel-
phegor wurde von Dankbarkeit über eine
solche Begegnung um so viel lebhafter ge-
rührt, weil die üble Behandlung, die er
bisher von den Menschen in verschiedenen
Welttheilen erdulden mußte, das menschli-

che

Ruf einer Stimme erweckte. Er ſchlug die
Augen auf und wurde einen Mann gewahr,
der ihn arabiſch anredete. So wenig er
auch von der Sprache wußte, ſo konnte er
doch ſeine Begebenheit und ſein Verlangen
nach Huͤlfe darinne ausdruͤcken. Der Ara-
ber machte ſogleich die großmuͤthige Anſtalt
ihn fortzuſchaffen, und ließ ihn auf ein Ka-
meel laden, daß er kurz vorher nebſt etlichen
andern einer reiſenden Karavane abgenom-
men hatte, wobey er ſeinen Leuten den Be-
fehl gab, den Verwundeten in ſein Schloß
zu bringen und bis zu ſeiner Ankunft gehoͤ-
rig zu pflegen. Der Mitleidige war, wie
man leicht merkt, gleichfalls ein Raͤuber
von Profeſſion, kam in einigen Wochen auf
ſein Schloß zuruͤck und fand Belphegorn
von ſeinen Wunden geheilt. Er war ſo
edelmuͤthig, jeden Dank von ſich abzuleh-
nen, und bot ihm Wohnung und Tafel auf
ſo lange Zeit an, als ihm beliebte. Bel-
phegor wurde von Dankbarkeit uͤber eine
ſolche Begegnung um ſo viel lebhafter ge-
ruͤhrt, weil die uͤble Behandlung, die er
bisher von den Menſchen in verſchiedenen
Welttheilen erdulden mußte, das menſchli-

che
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0058" n="52"/>
Ruf einer Stimme erweckte. Er &#x017F;chlug die<lb/>
Augen auf und wurde einen Mann gewahr,<lb/>
der ihn arabi&#x017F;ch anredete. So wenig er<lb/>
auch von der Sprache wußte, &#x017F;o konnte er<lb/>
doch &#x017F;eine Begebenheit und &#x017F;ein Verlangen<lb/>
nach Hu&#x0364;lfe darinne ausdru&#x0364;cken. Der Ara-<lb/>
ber machte &#x017F;ogleich die großmu&#x0364;thige An&#x017F;talt<lb/>
ihn fortzu&#x017F;chaffen, und ließ ihn auf ein Ka-<lb/>
meel laden, daß er kurz vorher neb&#x017F;t etlichen<lb/>
andern einer rei&#x017F;enden Karavane abgenom-<lb/>
men hatte, wobey er &#x017F;einen Leuten den Be-<lb/>
fehl gab, den Verwundeten in &#x017F;ein Schloß<lb/>
zu bringen und bis zu &#x017F;einer Ankunft geho&#x0364;-<lb/>
rig zu pflegen. Der Mitleidige war, wie<lb/>
man leicht merkt, gleichfalls ein Ra&#x0364;uber<lb/>
von Profe&#x017F;&#x017F;ion, kam in einigen Wochen auf<lb/>
&#x017F;ein Schloß zuru&#x0364;ck und fand Belphegorn<lb/>
von &#x017F;einen Wunden geheilt. Er war &#x017F;o<lb/>
edelmu&#x0364;thig, jeden Dank von &#x017F;ich abzuleh-<lb/>
nen, und bot ihm Wohnung und Tafel auf<lb/>
&#x017F;o lange Zeit an, als ihm beliebte. Bel-<lb/>
phegor wurde von Dankbarkeit u&#x0364;ber eine<lb/>
&#x017F;olche Begegnung um &#x017F;o viel lebhafter ge-<lb/>
ru&#x0364;hrt, weil die u&#x0364;ble Behandlung, die er<lb/>
bisher von den Men&#x017F;chen in ver&#x017F;chiedenen<lb/>
Welttheilen erdulden mußte, das men&#x017F;chli-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">che</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0058] Ruf einer Stimme erweckte. Er ſchlug die Augen auf und wurde einen Mann gewahr, der ihn arabiſch anredete. So wenig er auch von der Sprache wußte, ſo konnte er doch ſeine Begebenheit und ſein Verlangen nach Huͤlfe darinne ausdruͤcken. Der Ara- ber machte ſogleich die großmuͤthige Anſtalt ihn fortzuſchaffen, und ließ ihn auf ein Ka- meel laden, daß er kurz vorher nebſt etlichen andern einer reiſenden Karavane abgenom- men hatte, wobey er ſeinen Leuten den Be- fehl gab, den Verwundeten in ſein Schloß zu bringen und bis zu ſeiner Ankunft gehoͤ- rig zu pflegen. Der Mitleidige war, wie man leicht merkt, gleichfalls ein Raͤuber von Profeſſion, kam in einigen Wochen auf ſein Schloß zuruͤck und fand Belphegorn von ſeinen Wunden geheilt. Er war ſo edelmuͤthig, jeden Dank von ſich abzuleh- nen, und bot ihm Wohnung und Tafel auf ſo lange Zeit an, als ihm beliebte. Bel- phegor wurde von Dankbarkeit uͤber eine ſolche Begegnung um ſo viel lebhafter ge- ruͤhrt, weil die uͤble Behandlung, die er bisher von den Menſchen in verſchiedenen Welttheilen erdulden mußte, das menſchli- che

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/58
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/58>, abgerufen am 27.11.2024.