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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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von dem Stoße niedergestürzt war und in
der Ohnmacht von dem Sonniten für todt
gehalten wurde, so begab sich dieser hinweg,
nachdem er vorher in einem lauten Gebete
dem großen Propheten und seinem Nachfol-
ger Abubecker zu Gemüthe führte, was für
eine wichtige Verbindlichkeit er ihnen durch
die Ermordung dieser beiden Ungläubigen
auferlegt, und was für einen vorzüglichen
Anspruch er sich auf die schönste Huri des
Paradieses erworben habe. Sein Reli-
gionseifer war gesättigt, und nach einer so
verdienstlichen Handlung gieng er an seine
Berufsarbeit zurück und plünderte mit seinen
Gesellen die Karavane, zu welcher Belphe-
gor gehörte: denn er war ein Räuber vom
Handwerke.

Belphegor lag ohne Besonnenheit in sei-
nem Blute und erwachte nur, um seine Ent-
kräftung zu fühlen: er sah sich um, er rief,
so stark er vermochte; alle menschliche Hülfe
war von ihm fern. In einem so trostlosen
Zustande war Geduld das einzige Uebrige,
ihm die Erschöpfung seiner Lebensgeister zu
erleichtern; Er war vor Mattigkeit in einen
Schlummer verfallen, aus welchem ihn der

Ruf
D 3

von dem Stoße niedergeſtuͤrzt war und in
der Ohnmacht von dem Sonniten fuͤr todt
gehalten wurde, ſo begab ſich dieſer hinweg,
nachdem er vorher in einem lauten Gebete
dem großen Propheten und ſeinem Nachfol-
ger Abubecker zu Gemuͤthe fuͤhrte, was fuͤr
eine wichtige Verbindlichkeit er ihnen durch
die Ermordung dieſer beiden Unglaͤubigen
auferlegt, und was fuͤr einen vorzuͤglichen
Anſpruch er ſich auf die ſchoͤnſte Huri des
Paradieſes erworben habe. Sein Reli-
gionseifer war geſaͤttigt, und nach einer ſo
verdienſtlichen Handlung gieng er an ſeine
Berufsarbeit zuruͤck und pluͤnderte mit ſeinen
Geſellen die Karavane, zu welcher Belphe-
gor gehoͤrte: denn er war ein Raͤuber vom
Handwerke.

Belphegor lag ohne Beſonnenheit in ſei-
nem Blute und erwachte nur, um ſeine Ent-
kraͤftung zu fuͤhlen: er ſah ſich um, er rief,
ſo ſtark er vermochte; alle menſchliche Huͤlfe
war von ihm fern. In einem ſo troſtloſen
Zuſtande war Geduld das einzige Uebrige,
ihm die Erſchoͤpfung ſeiner Lebensgeiſter zu
erleichtern; Er war vor Mattigkeit in einen
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[51/0057] von dem Stoße niedergeſtuͤrzt war und in der Ohnmacht von dem Sonniten fuͤr todt gehalten wurde, ſo begab ſich dieſer hinweg, nachdem er vorher in einem lauten Gebete dem großen Propheten und ſeinem Nachfol- ger Abubecker zu Gemuͤthe fuͤhrte, was fuͤr eine wichtige Verbindlichkeit er ihnen durch die Ermordung dieſer beiden Unglaͤubigen auferlegt, und was fuͤr einen vorzuͤglichen Anſpruch er ſich auf die ſchoͤnſte Huri des Paradieſes erworben habe. Sein Reli- gionseifer war geſaͤttigt, und nach einer ſo verdienſtlichen Handlung gieng er an ſeine Berufsarbeit zuruͤck und pluͤnderte mit ſeinen Geſellen die Karavane, zu welcher Belphe- gor gehoͤrte: denn er war ein Raͤuber vom Handwerke. Belphegor lag ohne Beſonnenheit in ſei- nem Blute und erwachte nur, um ſeine Ent- kraͤftung zu fuͤhlen: er ſah ſich um, er rief, ſo ſtark er vermochte; alle menſchliche Huͤlfe war von ihm fern. In einem ſo troſtloſen Zuſtande war Geduld das einzige Uebrige, ihm die Erſchoͤpfung ſeiner Lebensgeiſter zu erleichtern; Er war vor Mattigkeit in einen Schlummer verfallen, aus welchem ihn der Ruf D 3

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/57>, abgerufen am 27.11.2024.