diesem Augenblicke theilten sie Macht und Ansehn mit einander.
Den ersten und zweyten Tag that Belphe- gor ernstliche Erinnerungen wegen der ver- sprochnen Wiedererstattung, und es fauden sich tausend Entschuldigungen und Verhin- derungen: Belphegor drang alsdann weni- ger ernstlich, seltner und endlich gar nicht mehr darauf; tadelte alle getroffne Anstalten als unbillig, unfreundlich, unterdrückend, und behielt sie bey: es blieb alles, wie es war, und statt daß sonst alles Gold aufge- häuft wurde, ließ er etwas mehr von den gesammelten Schätzen in den Umlauf kom- men, damit das Volk wieder die Ingredien- zen zu zwo Mahlzeiten kaufen konnte. Unter seinen Leidenschaften war die Liebe zum Golde schwächer als bey seinem Mitre- genten: er war freygebig und ermahnte auch diesen es zu seyn: aber desto heftiger war sein Ehrgeiz: allmählich vermehrte er die Ehrenbezeugungen, die er von seinem Volke foderte, und wenn er nicht reich zu seyn wünschte, so wollte er angebetet seyn, ohne zu fühlen, daß es auch eine Unter- drückung giebt, die dem Menschen seine
Würde
dieſem Augenblicke theilten ſie Macht und Anſehn mit einander.
Den erſten und zweyten Tag that Belphe- gor ernſtliche Erinnerungen wegen der ver- ſprochnen Wiedererſtattung, und es fauden ſich tauſend Entſchuldigungen und Verhin- derungen: Belphegor drang alsdann weni- ger ernſtlich, ſeltner und endlich gar nicht mehr darauf; tadelte alle getroffne Anſtalten als unbillig, unfreundlich, unterdruͤckend, und behielt ſie bey: es blieb alles, wie es war, und ſtatt daß ſonſt alles Gold aufge- haͤuft wurde, ließ er etwas mehr von den geſammelten Schaͤtzen in den Umlauf kom- men, damit das Volk wieder die Ingredien- zen zu zwo Mahlzeiten kaufen konnte. Unter ſeinen Leidenſchaften war die Liebe zum Golde ſchwaͤcher als bey ſeinem Mitre- genten: er war freygebig und ermahnte auch dieſen es zu ſeyn: aber deſto heftiger war ſein Ehrgeiz: allmaͤhlich vermehrte er die Ehrenbezeugungen, die er von ſeinem Volke foderte, und wenn er nicht reich zu ſeyn wuͤnſchte, ſo wollte er angebetet ſeyn, ohne zu fuͤhlen, daß es auch eine Unter- druͤckung giebt, die dem Menſchen ſeine
Wuͤrde
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dieſem Augenblicke theilten ſie Macht und
Anſehn mit einander.
Den erſten und zweyten Tag that Belphe-
gor ernſtliche Erinnerungen wegen der ver-
ſprochnen Wiedererſtattung, und es fauden
ſich tauſend Entſchuldigungen und Verhin-
derungen: Belphegor drang alsdann weni-
ger ernſtlich, ſeltner und endlich gar nicht
mehr darauf; tadelte alle getroffne Anſtalten
als unbillig, unfreundlich, unterdruͤckend,
und behielt ſie bey: es blieb alles, wie es
war, und ſtatt daß ſonſt alles Gold aufge-
haͤuft wurde, ließ er etwas mehr von den
geſammelten Schaͤtzen in den Umlauf kom-
men, damit das Volk wieder die Ingredien-
zen zu zwo Mahlzeiten kaufen konnte.
Unter ſeinen Leidenſchaften war die Liebe
zum Golde ſchwaͤcher als bey ſeinem Mitre-
genten: er war freygebig und ermahnte
auch dieſen es zu ſeyn: aber deſto heftiger
war ſein Ehrgeiz: allmaͤhlich vermehrte er
die Ehrenbezeugungen, die er von ſeinem
Volke foderte, und wenn er nicht reich zu
ſeyn wuͤnſchte, ſo wollte er angebetet ſeyn,
ohne zu fuͤhlen, daß es auch eine Unter-
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/47>, abgerufen am 26.11.2024.
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