vor den Kopf schlagen zu lassen? Wenn heute, wenn morgen einen unter uns ein herabfallender Stein quetscht, oder die Keule eines Räubers verwundet, daß wir unter langen Schmerzen sierben müssen, so sind wir Akanten gleich: was ist aber bey uns die Absicht der Vorsehung? -- Ist es Stra- fe? -- warum soll ich oder Du, die wir nicht zur Hälfte so viel Böses begangen ha- ben, warum sollen wir mit jener ungleich größern Verbrecherinn gleich gestraft seyn? und das ist eine üble Gerechtigkeit, wo alle Vergehungen auf gleichen Fuß behandelt werden: wenn wenig oder viel mit Einem Grade von Bestrafung wegkömmt, so hätte ich Lust, lieber viel zu begehen. -- Ist es in unserm Falle keine Strafe? -- desto schlimmer! warum trift den Unstrafbaren mit dem Strafbaren ein Gleiches? Woher weiß ich das, daß Einerley Begebenheit in einem Falle es ist, im andern nicht? und wie kann ich aus Akantens Vorfalle schlies- sen, daß eine Vorsicht mit Absicht ihr dieses Schicksal wiederfahren ließ? --
Brüderchen, Du disputirst mir nichts aus dem Kopfe. Vielleicht würden wir von
einem
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vor den Kopf ſchlagen zu laſſen? Wenn heute, wenn morgen einen unter uns ein herabfallender Stein quetſcht, oder die Keule eines Raͤubers verwundet, daß wir unter langen Schmerzen ſierben muͤſſen, ſo ſind wir Akanten gleich: was iſt aber bey uns die Abſicht der Vorſehung? — Iſt es Stra- fe? — warum ſoll ich oder Du, die wir nicht zur Haͤlfte ſo viel Boͤſes begangen ha- ben, warum ſollen wir mit jener ungleich groͤßern Verbrecherinn gleich geſtraft ſeyn? und das iſt eine uͤble Gerechtigkeit, wo alle Vergehungen auf gleichen Fuß behandelt werden: wenn wenig oder viel mit Einem Grade von Beſtrafung wegkoͤmmt, ſo haͤtte ich Luſt, lieber viel zu begehen. — Iſt es in unſerm Falle keine Strafe? — deſto ſchlimmer! warum trift den Unſtrafbaren mit dem Strafbaren ein Gleiches? Woher weiß ich das, daß Einerley Begebenheit in einem Falle es iſt, im andern nicht? und wie kann ich aus Akantens Vorfalle ſchlieſ- ſen, daß eine Vorſicht mit Abſicht ihr dieſes Schickſal wiederfahren ließ? —
Bruͤderchen, Du diſputirſt mir nichts aus dem Kopfe. Vielleicht wuͤrden wir von
einem
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vor den Kopf ſchlagen zu laſſen? Wenn
heute, wenn morgen einen unter uns ein
herabfallender Stein quetſcht, oder die Keule
eines Raͤubers verwundet, daß wir unter
langen Schmerzen ſierben muͤſſen, ſo ſind
wir Akanten gleich: was iſt aber bey uns
die Abſicht der Vorſehung? — Iſt es Stra-
fe? — warum ſoll ich oder Du, die wir
nicht zur Haͤlfte ſo viel Boͤſes begangen ha-
ben, warum ſollen wir mit jener ungleich
groͤßern Verbrecherinn gleich geſtraft ſeyn?
und das iſt eine uͤble Gerechtigkeit, wo alle
Vergehungen auf gleichen Fuß behandelt
werden: wenn wenig oder viel mit Einem
Grade von Beſtrafung wegkoͤmmt, ſo haͤtte
ich Luſt, lieber viel zu begehen. — Iſt es
in unſerm Falle keine Strafe? — deſto
ſchlimmer! warum trift den Unſtrafbaren
mit dem Strafbaren ein Gleiches? Woher
weiß ich das, daß Einerley Begebenheit in
einem Falle es iſt, im andern nicht? und
wie kann ich aus Akantens Vorfalle ſchlieſ-
ſen, daß eine Vorſicht mit Abſicht ihr
dieſes Schickſal wiederfahren ließ? —
Bruͤderchen, Du diſputirſt mir nichts aus
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/283>, abgerufen am 22.12.2024.
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