gefallen lassen, einen verwundenden Stich zu empfangen: doch muß man es zu Fro- mals Ehre rühmen, daß er oft selbst den Faden zu ernsten Betrachtungen anspann und mit seiner vorigen Stärke und Lebhaf- tigkeit über Welt und Menschen philoso- phirte: er berührte so gar oft seine eignen Vergehungen, tadelte und entschuldigte sie. Belphegor ließ keine Gelegenheit vorüber- gehn, die Wiedererstattung für alle zu ver- langen, die Fromals Unterdrückung gefühlt hatten: um sich auch diese beschwerliche An- foderung zu ersparen, bot er Belphegorn das Stück Land zum Geschenke an, das er seinem Hausherrn durch Bedrückungen ab- genöthigt hatte. Belphegor weigerte sich, und seine Gerechtigkeitsliebe stellte ihm den Besitz dieses Geschenkes als einen zweyten Diebstahl an: doch Fromal, der den Men- schen kannte, machte ihn durch häufige Zu- nöthigungen, durch die Vortheile und An- nehmlichkeiten, die er ihm dabey versprach, mit der Idee davon so vertraut, daß er wirklich nach langem Weigern das Geschenk annahm, ohne es weiter für einen Diebstahl zu halten. Der Genuß mannichfaltiger
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gefallen laſſen, einen verwundenden Stich zu empfangen: doch muß man es zu Fro- mals Ehre ruͤhmen, daß er oft ſelbſt den Faden zu ernſten Betrachtungen anſpann und mit ſeiner vorigen Staͤrke und Lebhaf- tigkeit uͤber Welt und Menſchen philoſo- phirte: er beruͤhrte ſo gar oft ſeine eignen Vergehungen, tadelte und entſchuldigte ſie. Belphegor ließ keine Gelegenheit voruͤber- gehn, die Wiedererſtattung fuͤr alle zu ver- langen, die Fromals Unterdruͤckung gefuͤhlt hatten: um ſich auch dieſe beſchwerliche An- foderung zu erſparen, bot er Belphegorn das Stuͤck Land zum Geſchenke an, das er ſeinem Hausherrn durch Bedruͤckungen ab- genoͤthigt hatte. Belphegor weigerte ſich, und ſeine Gerechtigkeitsliebe ſtellte ihm den Beſitz dieſes Geſchenkes als einen zweyten Diebſtahl an: doch Fromal, der den Men- ſchen kannte, machte ihn durch haͤufige Zu- noͤthigungen, durch die Vortheile und An- nehmlichkeiten, die er ihm dabey verſprach, mit der Idee davon ſo vertraut, daß er wirklich nach langem Weigern das Geſchenk annahm, ohne es weiter fuͤr einen Diebſtahl zu halten. Der Genuß mannichfaltiger
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gefallen laſſen, einen verwundenden Stich
zu empfangen: doch muß man es zu Fro-
mals Ehre ruͤhmen, daß er oft ſelbſt den
Faden zu ernſten Betrachtungen anſpann
und mit ſeiner vorigen Staͤrke und Lebhaf-
tigkeit uͤber Welt und Menſchen philoſo-
phirte: er beruͤhrte ſo gar oft ſeine eignen
Vergehungen, tadelte und entſchuldigte ſie.
Belphegor ließ keine Gelegenheit voruͤber-
gehn, die Wiedererſtattung fuͤr alle zu ver-
langen, die Fromals Unterdruͤckung gefuͤhlt
hatten: um ſich auch dieſe beſchwerliche An-
foderung zu erſparen, bot er Belphegorn
das Stuͤck Land zum Geſchenke an, das er
ſeinem Hausherrn durch Bedruͤckungen ab-
genoͤthigt hatte. Belphegor weigerte ſich,
und ſeine Gerechtigkeitsliebe ſtellte ihm den
Beſitz dieſes Geſchenkes als einen zweyten
Diebſtahl an: doch Fromal, der den Men-
ſchen kannte, machte ihn durch haͤufige Zu-
noͤthigungen, durch die Vortheile und An-
nehmlichkeiten, die er ihm dabey verſprach,
mit der Idee davon ſo vertraut, daß er
wirklich nach langem Weigern das Geſchenk
annahm, ohne es weiter fuͤr einen Diebſtahl
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor02_1776/277>, abgerufen am 22.12.2024.
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