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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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zu sehen, ob sie ein Paar elende Goldstücken
in sich zurückgelegt hatten. Siehst du, Brü-
derchen? Jn Spanien ist kein Auto da Fe
Gott angenehm, wenn nicht ein Jude dabey
lodert; und am Ende sollen sie gar, wie die
Aliden ihnen prophezeihn, auf den Türken,
wie auf Eseln, in die Hölle traben. -- Siehst
du, Brüderchen? Jch liebe zuweilen so etwas
aus der Historie: wenn wir nur ein Glas
Apfelwein hier hätten, so wollt' ich dir manch
Anekdotchen von der Art erzählen. --

Freund, ich habe genug! sagte Belphegor;
ich habe genug gesehn und gehört, um zu
wissen, daß Fromal, daß der kaltherzige Rich-
ter Recht hatten: es ist immer so gewesen,
daß Menschen Menschen quälten, und der
Stärkre den Schwächern zermalmte. -- O
könnte ich dem kalten Schneemanne die Zun-
ge ausreißen, und dadurch machen, daß er
eine Lüge gesagt hätte! -- Traurig, höchst-
traurig! wenn unsre hohe große Jdee von
dem Menschen mit jedem Tage mehr zusam-
menschmilzt! und vielleicht zulezt gar nur ein
verächtlicher Haufen Unrath übrig bleibt!
Wie wohl war mir, Freund, da in der Ein-
samkeit meine geschäftige Fantasie und mein

zu ſehen, ob ſie ein Paar elende Goldſtuͤcken
in ſich zuruͤckgelegt hatten. Siehſt du, Bruͤ-
derchen? Jn Spanien iſt kein Auto da Fe
Gott angenehm, wenn nicht ein Jude dabey
lodert; und am Ende ſollen ſie gar, wie die
Aliden ihnen prophezeihn, auf den Tuͤrken,
wie auf Eſeln, in die Hoͤlle traben. — Siehſt
du, Bruͤderchen? Jch liebe zuweilen ſo etwas
aus der Hiſtorie: wenn wir nur ein Glas
Apfelwein hier haͤtten, ſo wollt’ ich dir manch
Anekdotchen von der Art erzaͤhlen. —

Freund, ich habe genug! ſagte Belphegor;
ich habe genug geſehn und gehoͤrt, um zu
wiſſen, daß Fromal, daß der kaltherzige Rich-
ter Recht hatten: es iſt immer ſo geweſen,
daß Menſchen Menſchen quaͤlten, und der
Staͤrkre den Schwaͤchern zermalmte. — O
koͤnnte ich dem kalten Schneemanne die Zun-
ge ausreißen, und dadurch machen, daß er
eine Luͤge geſagt haͤtte! — Traurig, hoͤchſt-
traurig! wenn unſre hohe große Jdee von
dem Menſchen mit jedem Tage mehr zuſam-
menſchmilzt! und vielleicht zulezt gar nur ein
veraͤchtlicher Haufen Unrath uͤbrig bleibt!
Wie wohl war mir, Freund, da in der Ein-
ſamkeit meine geſchaͤftige Fantaſie und mein

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[79/0099] zu ſehen, ob ſie ein Paar elende Goldſtuͤcken in ſich zuruͤckgelegt hatten. Siehſt du, Bruͤ- derchen? Jn Spanien iſt kein Auto da Fe Gott angenehm, wenn nicht ein Jude dabey lodert; und am Ende ſollen ſie gar, wie die Aliden ihnen prophezeihn, auf den Tuͤrken, wie auf Eſeln, in die Hoͤlle traben. — Siehſt du, Bruͤderchen? Jch liebe zuweilen ſo etwas aus der Hiſtorie: wenn wir nur ein Glas Apfelwein hier haͤtten, ſo wollt’ ich dir manch Anekdotchen von der Art erzaͤhlen. — Freund, ich habe genug! ſagte Belphegor; ich habe genug geſehn und gehoͤrt, um zu wiſſen, daß Fromal, daß der kaltherzige Rich- ter Recht hatten: es iſt immer ſo geweſen, daß Menſchen Menſchen quaͤlten, und der Staͤrkre den Schwaͤchern zermalmte. — O koͤnnte ich dem kalten Schneemanne die Zun- ge ausreißen, und dadurch machen, daß er eine Luͤge geſagt haͤtte! — Traurig, hoͤchſt- traurig! wenn unſre hohe große Jdee von dem Menſchen mit jedem Tage mehr zuſam- menſchmilzt! und vielleicht zulezt gar nur ein veraͤchtlicher Haufen Unrath uͤbrig bleibt! Wie wohl war mir, Freund, da in der Ein- ſamkeit meine geſchaͤftige Fantaſie und mein

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/99>, abgerufen am 24.11.2024.