Siehst du, Brüderchen? durch unsre Schuld! Wir schwatzen an allen Enden und Orten von Mitleid und edlen Empfindungen und hassen die armen Jsraeliten auf den Tod. Wir haben angefangen zu hassen; das kann ich ihnen nicht übel deuten, daß sie ein Ge- schlecht, das sie haßt, nicht lieben. Weil wir die Mächtigern waren, unterdrückten wir sie: da sie sich durch die Stärke nicht verthei- digen konnten, führten sie den Krieg mit uns durch Haß und Betrug. Jedes Menschenge- schöpf ergreift zu seiner Selbstvertheidigung die Waffen, die es erhaschen kann. Mit Schauern denke ich noch daran, Brüderchen; betrachte nur! Ein König von Frankreich trat einem Juden in höchsteigner Person einst- mals seine Zähne aus, um Geld von ihm auszupressen, und ließ sich für die Operation eines jeden Zahns eine ungeheure Summe bezahlen. Man ließ die Juden Geld entrich- ten, weil sie Juden waren, und strafte sie um Geld, wenn sie Christen wurden. -- Höre, Brüderchen, wie hieß denn der Graf -- bey den Kreuzzügen? -- Ach, Graf Emiko! Der Barbar ließ ihnen die Bäuche aufschneiden, ließ die armen Teufel [b]omiren, purgiren, um
Siehſt du, Bruͤderchen? durch unſre Schuld! Wir ſchwatzen an allen Enden und Orten von Mitleid und edlen Empfindungen und haſſen die armen Jſraeliten auf den Tod. Wir haben angefangen zu haſſen; das kann ich ihnen nicht uͤbel deuten, daß ſie ein Ge- ſchlecht, das ſie haßt, nicht lieben. Weil wir die Maͤchtigern waren, unterdruͤckten wir ſie: da ſie ſich durch die Staͤrke nicht verthei- digen konnten, fuͤhrten ſie den Krieg mit uns durch Haß und Betrug. Jedes Menſchenge- ſchoͤpf ergreift zu ſeiner Selbſtvertheidigung die Waffen, die es erhaſchen kann. Mit Schauern denke ich noch daran, Bruͤderchen; betrachte nur! Ein Koͤnig von Frankreich trat einem Juden in hoͤchſteigner Perſon einſt- mals ſeine Zaͤhne aus, um Geld von ihm auszupreſſen, und ließ ſich fuͤr die Operation eines jeden Zahns eine ungeheure Summe bezahlen. Man ließ die Juden Geld entrich- ten, weil ſie Juden waren, und ſtrafte ſie um Geld, wenn ſie Chriſten wurden. — Hoͤre, Bruͤderchen, wie hieß denn der Graf — bey den Kreuzzuͤgen? — Ach, Graf Emiko! Der Barbar ließ ihnen die Baͤuche aufſchneiden, ließ die armen Teufel [b]omiren, purgiren, um
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Siehſt du, Bruͤderchen? durch unſre
Schuld! Wir ſchwatzen an allen Enden und
Orten von Mitleid und edlen Empfindungen
und haſſen die armen Jſraeliten auf den Tod.
Wir haben angefangen zu haſſen; das kann
ich ihnen nicht uͤbel deuten, daß ſie ein Ge-
ſchlecht, das ſie haßt, nicht lieben. Weil
wir die Maͤchtigern waren, unterdruͤckten wir
ſie: da ſie ſich durch die Staͤrke nicht verthei-
digen konnten, fuͤhrten ſie den Krieg mit uns
durch Haß und Betrug. Jedes Menſchenge-
ſchoͤpf ergreift zu ſeiner Selbſtvertheidigung
die Waffen, die es erhaſchen kann. Mit
Schauern denke ich noch daran, Bruͤderchen;
betrachte nur! Ein Koͤnig von Frankreich
trat einem Juden in hoͤchſteigner Perſon einſt-
mals ſeine Zaͤhne aus, um Geld von ihm
auszupreſſen, und ließ ſich fuͤr die Operation
eines jeden Zahns eine ungeheure Summe
bezahlen. Man ließ die Juden Geld entrich-
ten, weil ſie Juden waren, und ſtrafte ſie
um Geld, wenn ſie Chriſten wurden. — Hoͤre,
Bruͤderchen, wie hieß denn der Graf — bey
den Kreuzzuͤgen? — Ach, Graf Emiko! Der
Barbar ließ ihnen die Baͤuche aufſchneiden,
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/98>, abgerufen am 24.11.2024.
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