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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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welchen er zu schackern wünschte: da er aber
keine Antwort erhielt, so that er an andre
noch etlichemal ähnliche vergebliche Anfragen
und begab sich fort.

Belphegor, der eine Heldenstärke gebraucht
hatte, um seine Zunge und seinen Unwillen
zurückzuhalten, faßte seinen Freund bey dem
Arme und bat ihn, mit ihm an die frische
Luft zu gehn. -- O, rief er, als sie in einem
kleinen Baumgarten angelangt waren, und
schlug mit Bewegung die Hände zusammen --
ist das der Mensch, der edle, freundschaft-
liche, gesellige Mensch, dies empfindende,
denkende, mitleidige Thier, wie ich mir ihn
sonst abmahlte? So viel ich ihrer bis hieher
gesehn habe, alle waren Raubthiere; alle
laurten auf einander, sich mit List oder Ge-
walt zu schaden: einer war, wo nicht der
Feind des andern, doch nur so lange sein
Freund, als er unter ihm war, und gleich
weniger, so bald er über ihn stieg: alles
misbrauchte seine Stärke zur Unterdrückung.
Bedenke, wie ungerecht war dieser Mann,
einen Elenden zu mishandeln, weil er zu ei-
ner Nation gehörte, die wir zum Ziele unsrer
Verachtung und Eigennützigkeit hingestellt

welchen er zu ſchackern wuͤnſchte: da er aber
keine Antwort erhielt, ſo that er an andre
noch etlichemal aͤhnliche vergebliche Anfragen
und begab ſich fort.

Belphegor, der eine Heldenſtaͤrke gebraucht
hatte, um ſeine Zunge und ſeinen Unwillen
zuruͤckzuhalten, faßte ſeinen Freund bey dem
Arme und bat ihn, mit ihm an die friſche
Luft zu gehn. — O, rief er, als ſie in einem
kleinen Baumgarten angelangt waren, und
ſchlug mit Bewegung die Haͤnde zuſammen —
iſt das der Menſch, der edle, freundſchaft-
liche, geſellige Menſch, dies empfindende,
denkende, mitleidige Thier, wie ich mir ihn
ſonſt abmahlte? So viel ich ihrer bis hieher
geſehn habe, alle waren Raubthiere; alle
laurten auf einander, ſich mit Liſt oder Ge-
walt zu ſchaden: einer war, wo nicht der
Feind des andern, doch nur ſo lange ſein
Freund, als er unter ihm war, und gleich
weniger, ſo bald er uͤber ihn ſtieg: alles
misbrauchte ſeine Staͤrke zur Unterdruͤckung.
Bedenke, wie ungerecht war dieſer Mann,
einen Elenden zu mishandeln, weil er zu ei-
ner Nation gehoͤrte, die wir zum Ziele unſrer
Verachtung und Eigennuͤtzigkeit hingeſtellt

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[76/0096] welchen er zu ſchackern wuͤnſchte: da er aber keine Antwort erhielt, ſo that er an andre noch etlichemal aͤhnliche vergebliche Anfragen und begab ſich fort. Belphegor, der eine Heldenſtaͤrke gebraucht hatte, um ſeine Zunge und ſeinen Unwillen zuruͤckzuhalten, faßte ſeinen Freund bey dem Arme und bat ihn, mit ihm an die friſche Luft zu gehn. — O, rief er, als ſie in einem kleinen Baumgarten angelangt waren, und ſchlug mit Bewegung die Haͤnde zuſammen — iſt das der Menſch, der edle, freundſchaft- liche, geſellige Menſch, dies empfindende, denkende, mitleidige Thier, wie ich mir ihn ſonſt abmahlte? So viel ich ihrer bis hieher geſehn habe, alle waren Raubthiere; alle laurten auf einander, ſich mit Liſt oder Ge- walt zu ſchaden: einer war, wo nicht der Feind des andern, doch nur ſo lange ſein Freund, als er unter ihm war, und gleich weniger, ſo bald er uͤber ihn ſtieg: alles misbrauchte ſeine Staͤrke zur Unterdruͤckung. Bedenke, wie ungerecht war dieſer Mann, einen Elenden zu mishandeln, weil er zu ei- ner Nation gehoͤrte, die wir zum Ziele unſrer Verachtung und Eigennuͤtzigkeit hingeſtellt

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/96>, abgerufen am 24.11.2024.