du die Wahrheit sagtest: doch dies sollen die lezten seyn. -- Freund, rief er, indem er den Medardus hastig ergriff, Freund, wo ich bey den häßlichsten Ungerechtigkeiten mehr als mitleidiger traurender Zuschauer bin, wo ich nur Ein strafendes Wort über meine Lip- pen kommen lasse, so löse, reiße, schneide, senge mir meine Zunge von der Wurzel aus, wie du willst! Mag die ganze Erde sich um mich in Faktionen zertheilen und sich um das elendeste Nichts, um Seifenblasen herumschla- gen -- ich schweige, ich hülle mich nach dei- nem Rathe, Fromal, in die dickste Unem- pfindlichkeit und -- sehe zu.
Ja, Brüderchen, sagte Medardus, ich lasse auch gewiß kein Wörtchen wieder fallen, und wenn die Stärkern die Schwächern le- bendig äßen. --
Jhr Weg war viele Tagereisen lang, de- ren Anzahl um so viel stärker wurde, da sie jeden Tag nur langsam ein Paar Meilen fort- giengen. Bey ihrer zweiten Einkehr fanden sie einen heftigen Krieg in dem Wirthshause, der einen großen Trupp Zuschauer herbeyge- lockt hatte. Ein Mann von ehrbarem An-
du die Wahrheit ſagteſt: doch dies ſollen die lezten ſeyn. — Freund, rief er, indem er den Medardus haſtig ergriff, Freund, wo ich bey den haͤßlichſten Ungerechtigkeiten mehr als mitleidiger traurender Zuſchauer bin, wo ich nur Ein ſtrafendes Wort uͤber meine Lip- pen kommen laſſe, ſo loͤſe, reiße, ſchneide, ſenge mir meine Zunge von der Wurzel aus, wie du willſt! Mag die ganze Erde ſich um mich in Faktionen zertheilen und ſich um das elendeſte Nichts, um Seifenblaſen herumſchla- gen — ich ſchweige, ich huͤlle mich nach dei- nem Rathe, Fromal, in die dickſte Unem- pfindlichkeit und — ſehe zu.
Ja, Bruͤderchen, ſagte Medardus, ich laſſe auch gewiß kein Woͤrtchen wieder fallen, und wenn die Staͤrkern die Schwaͤchern le- bendig aͤßen. —
Jhr Weg war viele Tagereiſen lang, de- ren Anzahl um ſo viel ſtaͤrker wurde, da ſie jeden Tag nur langſam ein Paar Meilen fort- giengen. Bey ihrer zweiten Einkehr fanden ſie einen heftigen Krieg in dem Wirthshauſe, der einen großen Trupp Zuſchauer herbeyge- lockt hatte. Ein Mann von ehrbarem An-
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du die Wahrheit ſagteſt: doch dies ſollen die
lezten ſeyn. — Freund, rief er, indem er
den Medardus haſtig ergriff, Freund, wo ich
bey den haͤßlichſten Ungerechtigkeiten mehr
als mitleidiger traurender Zuſchauer bin, wo
ich nur Ein ſtrafendes Wort uͤber meine Lip-
pen kommen laſſe, ſo loͤſe, reiße, ſchneide,
ſenge mir meine Zunge von der Wurzel aus,
wie du willſt! Mag die ganze Erde ſich um
mich in Faktionen zertheilen und ſich um das
elendeſte Nichts, um Seifenblaſen herumſchla-
gen — ich ſchweige, ich huͤlle mich nach dei-
nem Rathe, Fromal, in die dickſte Unem-
pfindlichkeit und — ſehe zu.
Ja, Bruͤderchen, ſagte Medardus, ich
laſſe auch gewiß kein Woͤrtchen wieder fallen,
und wenn die Staͤrkern die Schwaͤchern le-
bendig aͤßen. —
Jhr Weg war viele Tagereiſen lang, de-
ren Anzahl um ſo viel ſtaͤrker wurde, da ſie
jeden Tag nur langſam ein Paar Meilen fort-
giengen. Bey ihrer zweiten Einkehr fanden
ſie einen heftigen Krieg in dem Wirthshauſe,
der einen großen Trupp Zuſchauer herbeyge-
lockt hatte. Ein Mann von ehrbarem An-
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/92>, abgerufen am 27.11.2024.
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