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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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bey meiner Einnahme sehr brauchte -- recht
viel Gutes, weil ich unter ihnen war.

Jn diesem Aemtchen nahm ich meine ver-
storbne Frau. -- Die Thränen standen ihm
schon in den Augen, als er sie nur nennte;
und er fuhr schluchzend fort: Ach, Brüder-
chen, das beste Weibchen unter der Sonne!
Jch möchte heute noch sterben, um sie wieder-
zusehn: sie war so gut! so treuherzig! wahr-
haftig, ich bin nur ein Schurke gegen sie.
Daß doch die guten Leute so frühzeitig ster-
ben! das herzeliebe Weib! -- Hier brach er
in eine Fluth von Thränen aus, die nicht in
Tropfen sondern in Einem Gusse über die
Backen herabschossen. Der Strom war noch
in vollem Laufe, als der ganze Horizont sei-
nes Gesichts sich schon wieder aufklärte. Jhr
ewiges Andenken, Brüderchen! rief er mit
thränenvollen Backen und frölicher Mine,
und trank.

O Akante, murmelte Belphegor, könnte
ich so dein Andenken bey mir erneuern! Aber,
du undankbare Schlange -- --

Brüderchen, das Herze springt mir, wie
ein Lamm, wenn ich nur an einen Buchsta-

bey meiner Einnahme ſehr brauchte — recht
viel Gutes, weil ich unter ihnen war.

Jn dieſem Aemtchen nahm ich meine ver-
ſtorbne Frau. — Die Thraͤnen ſtanden ihm
ſchon in den Augen, als er ſie nur nennte;
und er fuhr ſchluchzend fort: Ach, Bruͤder-
chen, das beſte Weibchen unter der Sonne!
Jch moͤchte heute noch ſterben, um ſie wieder-
zuſehn: ſie war ſo gut! ſo treuherzig! wahr-
haftig, ich bin nur ein Schurke gegen ſie.
Daß doch die guten Leute ſo fruͤhzeitig ſter-
ben! das herzeliebe Weib! — Hier brach er
in eine Fluth von Thraͤnen aus, die nicht in
Tropfen ſondern in Einem Guſſe uͤber die
Backen herabſchoſſen. Der Strom war noch
in vollem Laufe, als der ganze Horizont ſei-
nes Geſichts ſich ſchon wieder aufklaͤrte. Jhr
ewiges Andenken, Bruͤderchen! rief er mit
thraͤnenvollen Backen und froͤlicher Mine,
und trank.

O Akante, murmelte Belphegor, koͤnnte
ich ſo dein Andenken bey mir erneuern! Aber,
du undankbare Schlange — —

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[68/0088] bey meiner Einnahme ſehr brauchte — recht viel Gutes, weil ich unter ihnen war. Jn dieſem Aemtchen nahm ich meine ver- ſtorbne Frau. — Die Thraͤnen ſtanden ihm ſchon in den Augen, als er ſie nur nennte; und er fuhr ſchluchzend fort: Ach, Bruͤder- chen, das beſte Weibchen unter der Sonne! Jch moͤchte heute noch ſterben, um ſie wieder- zuſehn: ſie war ſo gut! ſo treuherzig! wahr- haftig, ich bin nur ein Schurke gegen ſie. Daß doch die guten Leute ſo fruͤhzeitig ſter- ben! das herzeliebe Weib! — Hier brach er in eine Fluth von Thraͤnen aus, die nicht in Tropfen ſondern in Einem Guſſe uͤber die Backen herabſchoſſen. Der Strom war noch in vollem Laufe, als der ganze Horizont ſei- nes Geſichts ſich ſchon wieder aufklaͤrte. Jhr ewiges Andenken, Bruͤderchen! rief er mit thraͤnenvollen Backen und froͤlicher Mine, und trank. O Akante, murmelte Belphegor, koͤnnte ich ſo dein Andenken bey mir erneuern! Aber, du undankbare Schlange — — Bruͤderchen, das Herze ſpringt mir, wie ein Lamm, wenn ich nur an einen Buchſta-

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/88>, abgerufen am 24.11.2024.