gesteckt. Wir erhielten darinne zuweilen heim- liche Besuche von etlichen artigen Puppen, die uns die Einsamkeit erleichtern sollten: bey meiner Schlafmütze! ich war so unschul- dig, wie ein Sechswochenkind: ich hatte nichts Böses im Sinne und konnte auch nicht: purer Naturtrieb! die Kinderchen gefielen mir, es war mir wohl, wenn ich bey ihnen war, und schlimm, wenn ich sie entbehren mußte. Auch mir waren sie herzlich gut, und die übrigen Schlucker bekamen kaum einen Kuß, wenn ich schon sechse zum voraus hatte. Siehst du, Brüderchen? Sie wurden nei- disch: Bruder Paskal versteckte sich, und da ich im Dunkeln vor ihm vorbeygehe, faßt er mich bey den Ohren und will mir beide Oh- ren abschneiden, aber das Messer war zu stumpf; so kam ich mit einem hübschen lan- gen Schnitte davon, den ich wieder zuheilen ließ. Damit war aber der Groll nicht vor- über: wenn ich nur einen Blick mehr bekam als ein andrer, so mußte ich leiden; und ob ich gleich izt mit ihnen nur in gleichem Schrit- te gieng, so blieben sie mir doch feind und suchten alle Gelegenheit, mir zu schaden, mich zu verfolgen. Einige beschlossen, mich zu
geſteckt. Wir erhielten darinne zuweilen heim- liche Beſuche von etlichen artigen Puppen, die uns die Einſamkeit erleichtern ſollten: bey meiner Schlafmuͤtze! ich war ſo unſchul- dig, wie ein Sechswochenkind: ich hatte nichts Boͤſes im Sinne und konnte auch nicht: purer Naturtrieb! die Kinderchen gefielen mir, es war mir wohl, wenn ich bey ihnen war, und ſchlimm, wenn ich ſie entbehren mußte. Auch mir waren ſie herzlich gut, und die uͤbrigen Schlucker bekamen kaum einen Kuß, wenn ich ſchon ſechſe zum voraus hatte. Siehſt du, Bruͤderchen? Sie wurden nei- diſch: Bruder Paſkal verſteckte ſich, und da ich im Dunkeln vor ihm vorbeygehe, faßt er mich bey den Ohren und will mir beide Oh- ren abſchneiden, aber das Meſſer war zu ſtumpf; ſo kam ich mit einem huͤbſchen lan- gen Schnitte davon, den ich wieder zuheilen ließ. Damit war aber der Groll nicht vor- uͤber: wenn ich nur einen Blick mehr bekam als ein andrer, ſo mußte ich leiden; und ob ich gleich izt mit ihnen nur in gleichem Schrit- te gieng, ſo blieben ſie mir doch feind und ſuchten alle Gelegenheit, mir zu ſchaden, mich zu verfolgen. Einige beſchloſſen, mich zu
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0081"n="61"/>
geſteckt. Wir erhielten darinne zuweilen heim-<lb/>
liche Beſuche von etlichen artigen Puppen,<lb/>
die uns die Einſamkeit erleichtern ſollten:<lb/>
bey meiner Schlafmuͤtze! ich war ſo unſchul-<lb/>
dig, wie ein Sechswochenkind: ich hatte<lb/>
nichts Boͤſes im Sinne und konnte auch nicht:<lb/>
purer Naturtrieb! die Kinderchen gefielen<lb/>
mir, es war mir wohl, wenn ich bey ihnen<lb/>
war, und ſchlimm, wenn ich ſie entbehren<lb/>
mußte. Auch mir waren ſie herzlich gut, und<lb/>
die uͤbrigen Schlucker bekamen kaum einen<lb/>
Kuß, wenn ich ſchon ſechſe zum voraus hatte.<lb/>
Siehſt du, Bruͤderchen? Sie wurden nei-<lb/>
diſch: Bruder Paſkal verſteckte ſich, und da<lb/>
ich im Dunkeln vor ihm vorbeygehe, faßt er<lb/>
mich bey den Ohren und will mir beide Oh-<lb/>
ren abſchneiden, aber das Meſſer war zu<lb/>ſtumpf; ſo kam ich mit einem huͤbſchen lan-<lb/>
gen Schnitte davon, den ich wieder zuheilen<lb/>
ließ. Damit war aber der Groll nicht vor-<lb/>
uͤber: wenn ich nur einen Blick mehr bekam<lb/>
als ein andrer, ſo mußte ich leiden; und ob<lb/>
ich gleich izt mit ihnen nur in gleichem Schrit-<lb/>
te gieng, ſo blieben ſie mir doch feind und<lb/>ſuchten alle Gelegenheit, mir zu ſchaden, mich<lb/>
zu verfolgen. Einige beſchloſſen, mich zu<lb/></p></div></body></text></TEI>
[61/0081]
geſteckt. Wir erhielten darinne zuweilen heim-
liche Beſuche von etlichen artigen Puppen,
die uns die Einſamkeit erleichtern ſollten:
bey meiner Schlafmuͤtze! ich war ſo unſchul-
dig, wie ein Sechswochenkind: ich hatte
nichts Boͤſes im Sinne und konnte auch nicht:
purer Naturtrieb! die Kinderchen gefielen
mir, es war mir wohl, wenn ich bey ihnen
war, und ſchlimm, wenn ich ſie entbehren
mußte. Auch mir waren ſie herzlich gut, und
die uͤbrigen Schlucker bekamen kaum einen
Kuß, wenn ich ſchon ſechſe zum voraus hatte.
Siehſt du, Bruͤderchen? Sie wurden nei-
diſch: Bruder Paſkal verſteckte ſich, und da
ich im Dunkeln vor ihm vorbeygehe, faßt er
mich bey den Ohren und will mir beide Oh-
ren abſchneiden, aber das Meſſer war zu
ſtumpf; ſo kam ich mit einem huͤbſchen lan-
gen Schnitte davon, den ich wieder zuheilen
ließ. Damit war aber der Groll nicht vor-
uͤber: wenn ich nur einen Blick mehr bekam
als ein andrer, ſo mußte ich leiden; und ob
ich gleich izt mit ihnen nur in gleichem Schrit-
te gieng, ſo blieben ſie mir doch feind und
ſuchten alle Gelegenheit, mir zu ſchaden, mich
zu verfolgen. Einige beſchloſſen, mich zu
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/81>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.