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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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besonders nicht Belphegor, und zwar deswe-
gen, weil er hier weniger Reizungen, sich
neue Wunden zu erwerben, zu finden hoffte.
Seinen bisherigen Begleiter, Wärter und
Freund knüpfte die Dankbarkeit auf das eng-
ste mit ihm zusammen, und ihre Freundschaft
schien ihnen unzerstörbar, sie war die wärm-
ste, die unverbrüchlichste auf der Welt --
weil keiner einen Gran Elend oder Glück
mehr oder weniger besaß als der andre.

Belphegor erhielt bald einen merklichen
Vorzug in der Gunst seines neuen Herru,
weil er, seiner Leibesschäden ungeachtet, viel
mehr Thätigkeit und Arbeitsamkeit, als sein
Freund, bewies. Der Alte erkannte es mit
freudigem Danke, daß er sich um seines Nu-
tzens willen zu Tode arbeiten wollte, und
gieng damit um, ihm zu Belohnung seiner
nützlichen Dienste, nach Labans löblichem
Beispiele, seine einzige Tochter in die Arme
zu werfen -- ein dickes rundes wohlbeleib-
tes Mädchen, das alle Sonntage einen voll-
wichtigen Doppeldukaten mit Kaiser Karl des
sechsten Bildnisse an dem gelben Halse trug,
zwey Hemde und einen ungeflickten Rock be-

beſonders nicht Belphegor, und zwar deswe-
gen, weil er hier weniger Reizungen, ſich
neue Wunden zu erwerben, zu finden hoffte.
Seinen bisherigen Begleiter, Waͤrter und
Freund knuͤpfte die Dankbarkeit auf das eng-
ſte mit ihm zuſammen, und ihre Freundſchaft
ſchien ihnen unzerſtoͤrbar, ſie war die waͤrm-
ſte, die unverbruͤchlichſte auf der Welt —
weil keiner einen Gran Elend oder Gluͤck
mehr oder weniger beſaß als der andre.

Belphegor erhielt bald einen merklichen
Vorzug in der Gunſt ſeines neuen Herru,
weil er, ſeiner Leibesſchaͤden ungeachtet, viel
mehr Thaͤtigkeit und Arbeitſamkeit, als ſein
Freund, bewies. Der Alte erkannte es mit
freudigem Danke, daß er ſich um ſeines Nu-
tzens willen zu Tode arbeiten wollte, und
gieng damit um, ihm zu Belohnung ſeiner
nuͤtzlichen Dienſte, nach Labans loͤblichem
Beiſpiele, ſeine einzige Tochter in die Arme
zu werfen — ein dickes rundes wohlbeleib-
tes Maͤdchen, das alle Sonntage einen voll-
wichtigen Doppeldukaten mit Kaiſer Karl des
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zwey Hemde und einen ungeflickten Rock be-

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[34/0054] beſonders nicht Belphegor, und zwar deswe- gen, weil er hier weniger Reizungen, ſich neue Wunden zu erwerben, zu finden hoffte. Seinen bisherigen Begleiter, Waͤrter und Freund knuͤpfte die Dankbarkeit auf das eng- ſte mit ihm zuſammen, und ihre Freundſchaft ſchien ihnen unzerſtoͤrbar, ſie war die waͤrm- ſte, die unverbruͤchlichſte auf der Welt — weil keiner einen Gran Elend oder Gluͤck mehr oder weniger beſaß als der andre. Belphegor erhielt bald einen merklichen Vorzug in der Gunſt ſeines neuen Herru, weil er, ſeiner Leibesſchaͤden ungeachtet, viel mehr Thaͤtigkeit und Arbeitſamkeit, als ſein Freund, bewies. Der Alte erkannte es mit freudigem Danke, daß er ſich um ſeines Nu- tzens willen zu Tode arbeiten wollte, und gieng damit um, ihm zu Belohnung ſeiner nuͤtzlichen Dienſte, nach Labans loͤblichem Beiſpiele, ſeine einzige Tochter in die Arme zu werfen — ein dickes rundes wohlbeleib- tes Maͤdchen, das alle Sonntage einen voll- wichtigen Doppeldukaten mit Kaiſer Karl des ſechſten Bildniſſe an dem gelben Halſe trug, zwey Hemde und einen ungeflickten Rock be-

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/54>, abgerufen am 22.11.2024.