gepuzte Nymphe los, um ihren Staat auf das jämmerlichste zu zerfleischen. Sie waren schon wirklich in ihrer Arbeit bis zum Hemde gekommen, das sie ebenfalls, ob es gleich nur aus grober demüthiger Leinwand ge- schaffen war und nicht die mindesten Spu- ren des Stolzes an sich hatte, nicht verscho- nen wollten, als Belphegor ankam. Er er- blickte nicht so bald das Gesichte des leiden- den Mädchens, das gewiß eine der besten ländlichen Schönheiten war und izt durch eine verschönernde Mine der Traurigkeit einen doppelt starken Eindruck machte, als seine Stirne glühte, als er mitten in das Gefechte rennte, das Mädchen und ihre Schamhaftig- keit aus den Klauen ihrer Gegner zu befreyen. Weil sein Ueberfall so plözlich geschah, und noch ein Nachtrab von Hülfstruppen zu be- fürchten war, so zerstreuten sich die Feinde anfangs: da sie aber wahrnahmen, daß sie ihre Furcht betrogen hatte, so wurden sie desto ergrimmter, ließen das gemishandelte Mädchen liegen und griffen ihren Helfer an, dem sie ein Auge ausschlugen, einen Finger quetschten und die Backen mit ihren Nägeln meisterlich bezeichneten. Oben drein wurde
gepuzte Nymphe los, um ihren Staat auf das jaͤmmerlichſte zu zerfleiſchen. Sie waren ſchon wirklich in ihrer Arbeit bis zum Hemde gekommen, das ſie ebenfalls, ob es gleich nur aus grober demuͤthiger Leinwand ge- ſchaffen war und nicht die mindeſten Spu- ren des Stolzes an ſich hatte, nicht verſcho- nen wollten, als Belphegor ankam. Er er- blickte nicht ſo bald das Geſichte des leiden- den Maͤdchens, das gewiß eine der beſten laͤndlichen Schoͤnheiten war und izt durch eine verſchoͤnernde Mine der Traurigkeit einen doppelt ſtarken Eindruck machte, als ſeine Stirne gluͤhte, als er mitten in das Gefechte rennte, das Maͤdchen und ihre Schamhaftig- keit aus den Klauen ihrer Gegner zu befreyen. Weil ſein Ueberfall ſo ploͤzlich geſchah, und noch ein Nachtrab von Huͤlfstruppen zu be- fuͤrchten war, ſo zerſtreuten ſich die Feinde anfangs: da ſie aber wahrnahmen, daß ſie ihre Furcht betrogen hatte, ſo wurden ſie deſto ergrimmter, ließen das gemishandelte Maͤdchen liegen und griffen ihren Helfer an, dem ſie ein Auge ausſchlugen, einen Finger quetſchten und die Backen mit ihren Naͤgeln meiſterlich bezeichneten. Oben drein wurde
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0047"n="27"/>
gepuzte Nymphe los, um ihren Staat auf<lb/>
das jaͤmmerlichſte zu zerfleiſchen. Sie waren<lb/>ſchon wirklich in ihrer Arbeit bis zum Hemde<lb/>
gekommen, das ſie ebenfalls, ob es gleich<lb/>
nur aus grober demuͤthiger Leinwand ge-<lb/>ſchaffen war und nicht die mindeſten Spu-<lb/>
ren des Stolzes an ſich hatte, nicht verſcho-<lb/>
nen wollten, als Belphegor ankam. Er er-<lb/>
blickte nicht ſo bald das Geſichte des leiden-<lb/>
den Maͤdchens, das gewiß eine der beſten<lb/>
laͤndlichen Schoͤnheiten war und izt durch<lb/>
eine verſchoͤnernde Mine der Traurigkeit einen<lb/>
doppelt ſtarken Eindruck machte, als ſeine<lb/>
Stirne gluͤhte, als er mitten in das Gefechte<lb/>
rennte, das Maͤdchen und ihre Schamhaftig-<lb/>
keit aus den Klauen ihrer Gegner zu befreyen.<lb/>
Weil ſein Ueberfall ſo ploͤzlich geſchah, und<lb/>
noch ein Nachtrab von Huͤlfstruppen zu be-<lb/>
fuͤrchten war, ſo zerſtreuten ſich die Feinde<lb/>
anfangs: da ſie aber wahrnahmen, daß ſie<lb/>
ihre Furcht betrogen hatte, ſo wurden ſie<lb/>
deſto ergrimmter, ließen das gemishandelte<lb/>
Maͤdchen liegen und griffen ihren Helfer an,<lb/>
dem ſie ein Auge ausſchlugen, einen Finger<lb/>
quetſchten und die Backen mit ihren Naͤgeln<lb/>
meiſterlich bezeichneten. Oben drein wurde<lb/></p></div></body></text></TEI>
[27/0047]
gepuzte Nymphe los, um ihren Staat auf
das jaͤmmerlichſte zu zerfleiſchen. Sie waren
ſchon wirklich in ihrer Arbeit bis zum Hemde
gekommen, das ſie ebenfalls, ob es gleich
nur aus grober demuͤthiger Leinwand ge-
ſchaffen war und nicht die mindeſten Spu-
ren des Stolzes an ſich hatte, nicht verſcho-
nen wollten, als Belphegor ankam. Er er-
blickte nicht ſo bald das Geſichte des leiden-
den Maͤdchens, das gewiß eine der beſten
laͤndlichen Schoͤnheiten war und izt durch
eine verſchoͤnernde Mine der Traurigkeit einen
doppelt ſtarken Eindruck machte, als ſeine
Stirne gluͤhte, als er mitten in das Gefechte
rennte, das Maͤdchen und ihre Schamhaftig-
keit aus den Klauen ihrer Gegner zu befreyen.
Weil ſein Ueberfall ſo ploͤzlich geſchah, und
noch ein Nachtrab von Huͤlfstruppen zu be-
fuͤrchten war, ſo zerſtreuten ſich die Feinde
anfangs: da ſie aber wahrnahmen, daß ſie
ihre Furcht betrogen hatte, ſo wurden ſie
deſto ergrimmter, ließen das gemishandelte
Maͤdchen liegen und griffen ihren Helfer an,
dem ſie ein Auge ausſchlugen, einen Finger
quetſchten und die Backen mit ihren Naͤgeln
meiſterlich bezeichneten. Oben drein wurde
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/47>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.