Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

gepuzte Nymphe los, um ihren Staat auf
das jämmerlichste zu zerfleischen. Sie waren
schon wirklich in ihrer Arbeit bis zum Hemde
gekommen, das sie ebenfalls, ob es gleich
nur aus grober demüthiger Leinwand ge-
schaffen war und nicht die mindesten Spu-
ren des Stolzes an sich hatte, nicht verscho-
nen wollten, als Belphegor ankam. Er er-
blickte nicht so bald das Gesichte des leiden-
den Mädchens, das gewiß eine der besten
ländlichen Schönheiten war und izt durch
eine verschönernde Mine der Traurigkeit einen
doppelt starken Eindruck machte, als seine
Stirne glühte, als er mitten in das Gefechte
rennte, das Mädchen und ihre Schamhaftig-
keit aus den Klauen ihrer Gegner zu befreyen.
Weil sein Ueberfall so plözlich geschah, und
noch ein Nachtrab von Hülfstruppen zu be-
fürchten war, so zerstreuten sich die Feinde
anfangs: da sie aber wahrnahmen, daß sie
ihre Furcht betrogen hatte, so wurden sie
desto ergrimmter, ließen das gemishandelte
Mädchen liegen und griffen ihren Helfer an,
dem sie ein Auge ausschlugen, einen Finger
quetschten und die Backen mit ihren Nägeln
meisterlich bezeichneten. Oben drein wurde

gepuzte Nymphe los, um ihren Staat auf
das jaͤmmerlichſte zu zerfleiſchen. Sie waren
ſchon wirklich in ihrer Arbeit bis zum Hemde
gekommen, das ſie ebenfalls, ob es gleich
nur aus grober demuͤthiger Leinwand ge-
ſchaffen war und nicht die mindeſten Spu-
ren des Stolzes an ſich hatte, nicht verſcho-
nen wollten, als Belphegor ankam. Er er-
blickte nicht ſo bald das Geſichte des leiden-
den Maͤdchens, das gewiß eine der beſten
laͤndlichen Schoͤnheiten war und izt durch
eine verſchoͤnernde Mine der Traurigkeit einen
doppelt ſtarken Eindruck machte, als ſeine
Stirne gluͤhte, als er mitten in das Gefechte
rennte, das Maͤdchen und ihre Schamhaftig-
keit aus den Klauen ihrer Gegner zu befreyen.
Weil ſein Ueberfall ſo ploͤzlich geſchah, und
noch ein Nachtrab von Huͤlfstruppen zu be-
fuͤrchten war, ſo zerſtreuten ſich die Feinde
anfangs: da ſie aber wahrnahmen, daß ſie
ihre Furcht betrogen hatte, ſo wurden ſie
deſto ergrimmter, ließen das gemishandelte
Maͤdchen liegen und griffen ihren Helfer an,
dem ſie ein Auge ausſchlugen, einen Finger
quetſchten und die Backen mit ihren Naͤgeln
meiſterlich bezeichneten. Oben drein wurde

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0047" n="27"/>
gepuzte Nymphe los, um ihren Staat auf<lb/>
das ja&#x0364;mmerlich&#x017F;te zu zerflei&#x017F;chen. Sie waren<lb/>
&#x017F;chon wirklich in ihrer Arbeit bis zum Hemde<lb/>
gekommen, das &#x017F;ie ebenfalls, ob es gleich<lb/>
nur aus grober demu&#x0364;thiger Leinwand ge-<lb/>
&#x017F;chaffen war und nicht die minde&#x017F;ten Spu-<lb/>
ren des Stolzes an &#x017F;ich hatte, nicht ver&#x017F;cho-<lb/>
nen wollten, als Belphegor ankam. Er er-<lb/>
blickte nicht &#x017F;o bald das Ge&#x017F;ichte des leiden-<lb/>
den Ma&#x0364;dchens, das gewiß eine der be&#x017F;ten<lb/>
la&#x0364;ndlichen Scho&#x0364;nheiten war und izt durch<lb/>
eine ver&#x017F;cho&#x0364;nernde Mine der Traurigkeit einen<lb/>
doppelt &#x017F;tarken Eindruck machte, als &#x017F;eine<lb/>
Stirne glu&#x0364;hte, als er mitten in das Gefechte<lb/>
rennte, das Ma&#x0364;dchen und ihre Schamhaftig-<lb/>
keit aus den Klauen ihrer Gegner zu befreyen.<lb/>
Weil &#x017F;ein Ueberfall &#x017F;o plo&#x0364;zlich ge&#x017F;chah, und<lb/>
noch ein Nachtrab von Hu&#x0364;lfstruppen zu be-<lb/>
fu&#x0364;rchten war, &#x017F;o zer&#x017F;treuten &#x017F;ich die Feinde<lb/>
anfangs: da &#x017F;ie aber wahrnahmen, daß &#x017F;ie<lb/>
ihre Furcht betrogen hatte, &#x017F;o wurden &#x017F;ie<lb/>
de&#x017F;to ergrimmter, ließen das gemishandelte<lb/>
Ma&#x0364;dchen liegen und griffen ihren Helfer an,<lb/>
dem &#x017F;ie ein Auge aus&#x017F;chlugen, einen Finger<lb/>
quet&#x017F;chten und die Backen mit ihren Na&#x0364;geln<lb/>
mei&#x017F;terlich bezeichneten. Oben drein wurde<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[27/0047] gepuzte Nymphe los, um ihren Staat auf das jaͤmmerlichſte zu zerfleiſchen. Sie waren ſchon wirklich in ihrer Arbeit bis zum Hemde gekommen, das ſie ebenfalls, ob es gleich nur aus grober demuͤthiger Leinwand ge- ſchaffen war und nicht die mindeſten Spu- ren des Stolzes an ſich hatte, nicht verſcho- nen wollten, als Belphegor ankam. Er er- blickte nicht ſo bald das Geſichte des leiden- den Maͤdchens, das gewiß eine der beſten laͤndlichen Schoͤnheiten war und izt durch eine verſchoͤnernde Mine der Traurigkeit einen doppelt ſtarken Eindruck machte, als ſeine Stirne gluͤhte, als er mitten in das Gefechte rennte, das Maͤdchen und ihre Schamhaftig- keit aus den Klauen ihrer Gegner zu befreyen. Weil ſein Ueberfall ſo ploͤzlich geſchah, und noch ein Nachtrab von Huͤlfstruppen zu be- fuͤrchten war, ſo zerſtreuten ſich die Feinde anfangs: da ſie aber wahrnahmen, daß ſie ihre Furcht betrogen hatte, ſo wurden ſie deſto ergrimmter, ließen das gemishandelte Maͤdchen liegen und griffen ihren Helfer an, dem ſie ein Auge ausſchlugen, einen Finger quetſchten und die Backen mit ihren Naͤgeln meiſterlich bezeichneten. Oben drein wurde

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/47
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/47>, abgerufen am 24.11.2024.