vertrauter Freund geworden: doch izt wurde er über die schnelle Genesung seines Freundes neidisch, und biß ihn des Nachts in den kaum geheilten Arm; die Wunde wurde so gefährlich, daß der Arm beinahe abgelöst werden mußte.
Nach einem langen Kampfe mit Schmer- zen und dem Neide seines Freundes wurde er wiederhergestellt und der Willkühr des Schicksals übergeben.
Seine erste Auswanderung machte ihn schon wieder zum Märtyrer seines guten Her- zens. Er langte in einem Dorfe an, wo eben das gräßlichste Weiberscharmützel das Publikum belustigte. Ein Mädchen, das der ganzr weibliche Theil der Kirchfahrt ärger als den Teufel haßte, weil es von Jugend an sich durch seine Kleidung unterschieden hatte, war in einem saubern Anzuge, einem ehrbaren Geschenke von der Regentinn des Dorfs, in der Kirche erschienen. Jedermann empfand, wie billig, den lebhaftesten Abscheu und Aerger über eine solche Hoffart: man murmelte die ganze Kirche hindurch, man schimpfte bey dem Herausgehn, und auf ein- mal stürzte die anwesende weibliche Christen- heit mit geschloßnen Gliedern auf die schön-
vertrauter Freund geworden: doch izt wurde er uͤber die ſchnelle Geneſung ſeines Freundes neidiſch, und biß ihn des Nachts in den kaum geheilten Arm; die Wunde wurde ſo gefaͤhrlich, daß der Arm beinahe abgeloͤſt werden mußte.
Nach einem langen Kampfe mit Schmer- zen und dem Neide ſeines Freundes wurde er wiederhergeſtellt und der Willkuͤhr des Schickſals uͤbergeben.
Seine erſte Auswanderung machte ihn ſchon wieder zum Maͤrtyrer ſeines guten Her- zens. Er langte in einem Dorfe an, wo eben das graͤßlichſte Weiberſcharmuͤtzel das Publikum beluſtigte. Ein Maͤdchen, das der ganzꝛ weibliche Theil der Kirchfahrt aͤrger als den Teufel haßte, weil es von Jugend an ſich durch ſeine Kleidung unterſchieden hatte, war in einem ſaubern Anzuge, einem ehrbaren Geſchenke von der Regentinn des Dorfs, in der Kirche erſchienen. Jedermann empfand, wie billig, den lebhafteſten Abſcheu und Aerger uͤber eine ſolche Hoffart: man murmelte die ganze Kirche hindurch, man ſchimpfte bey dem Herausgehn, und auf ein- mal ſtuͤrzte die anweſende weibliche Chriſten- heit mit geſchloßnen Gliedern auf die ſchoͤn-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0046"n="26"/>
vertrauter Freund geworden: doch izt wurde<lb/>
er uͤber die ſchnelle Geneſung ſeines Freundes<lb/>
neidiſch, und biß ihn des Nachts in den kaum<lb/>
geheilten Arm; die Wunde wurde ſo gefaͤhrlich,<lb/>
daß der Arm beinahe abgeloͤſt werden mußte.</p><lb/><p>Nach einem langen Kampfe mit Schmer-<lb/>
zen und dem Neide ſeines Freundes wurde<lb/>
er wiederhergeſtellt und der Willkuͤhr des<lb/>
Schickſals uͤbergeben.</p><lb/><p>Seine erſte Auswanderung machte ihn<lb/>ſchon wieder zum Maͤrtyrer ſeines guten Her-<lb/>
zens. Er langte in einem Dorfe an, wo<lb/>
eben das graͤßlichſte Weiberſcharmuͤtzel das<lb/>
Publikum beluſtigte. Ein Maͤdchen, das der<lb/>
ganzꝛ weibliche Theil der Kirchfahrt aͤrger<lb/>
als den Teufel haßte, weil es von Jugend<lb/>
an ſich durch ſeine Kleidung unterſchieden<lb/>
hatte, war in einem ſaubern Anzuge, einem<lb/>
ehrbaren Geſchenke von der Regentinn des<lb/>
Dorfs, in der Kirche erſchienen. Jedermann<lb/>
empfand, wie billig, den lebhafteſten Abſcheu<lb/>
und Aerger uͤber eine ſolche Hoffart: man<lb/>
murmelte die ganze Kirche hindurch, man<lb/>ſchimpfte bey dem Herausgehn, und auf ein-<lb/>
mal ſtuͤrzte die anweſende weibliche Chriſten-<lb/>
heit mit geſchloßnen Gliedern auf die ſchoͤn-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[26/0046]
vertrauter Freund geworden: doch izt wurde
er uͤber die ſchnelle Geneſung ſeines Freundes
neidiſch, und biß ihn des Nachts in den kaum
geheilten Arm; die Wunde wurde ſo gefaͤhrlich,
daß der Arm beinahe abgeloͤſt werden mußte.
Nach einem langen Kampfe mit Schmer-
zen und dem Neide ſeines Freundes wurde
er wiederhergeſtellt und der Willkuͤhr des
Schickſals uͤbergeben.
Seine erſte Auswanderung machte ihn
ſchon wieder zum Maͤrtyrer ſeines guten Her-
zens. Er langte in einem Dorfe an, wo
eben das graͤßlichſte Weiberſcharmuͤtzel das
Publikum beluſtigte. Ein Maͤdchen, das der
ganzꝛ weibliche Theil der Kirchfahrt aͤrger
als den Teufel haßte, weil es von Jugend
an ſich durch ſeine Kleidung unterſchieden
hatte, war in einem ſaubern Anzuge, einem
ehrbaren Geſchenke von der Regentinn des
Dorfs, in der Kirche erſchienen. Jedermann
empfand, wie billig, den lebhafteſten Abſcheu
und Aerger uͤber eine ſolche Hoffart: man
murmelte die ganze Kirche hindurch, man
ſchimpfte bey dem Herausgehn, und auf ein-
mal ſtuͤrzte die anweſende weibliche Chriſten-
heit mit geſchloßnen Gliedern auf die ſchoͤn-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/46>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.