aber deine Empfindung, Akanten und ihr An- denken laß um des Himmels willen hier auf diesem Flecke zurück! Lebe wohl! -- und gleich gab er dem stummen Belphegor einen freund- schaftlichen Kuß, schwang sich auf sein Pferd und trabte davon. -- Vielleicht finden wir einander wieder, war sein lezter Zuruf, dann wollen wir sehn!
Belphegor saß unbeweglich, wie in den Boden gepflanzt, seufzte, weinte mit unter ein Tröpfchen, erklamirte, winselte, schalt, lobte seinen weggegangnen Freund, zählte sein Geschenk, warf es von sich, las es wie- der zusammen; und endlich nach zwo Stun- den voll solcher unruhigen ängstlichen Gri- massen, da die Dämmerung einbrach, fieng er an zu überlegen, was bey so gestalten Sa- chen zu thun sey. Die Dämmerung wurde zu pechsch warzer Nacht, und seine Ueberle- gung war dem Entschlusse keinen Strohhalm breit näher; er sank vor Mattigkeit nieder, schlief ein, und fand bey dem Erwachen für seine Berathschlagung so freyes Feld als Ta- ges vorher.
Die Ruhe hatte indessen seine Lähmung und seinen Schmerz verschlungen; er konnte
wieder
aber deine Empfindung, Akanten und ihr An- denken laß um des Himmels willen hier auf dieſem Flecke zuruͤck! Lebe wohl! — und gleich gab er dem ſtummen Belphegor einen freund- ſchaftlichen Kuß, ſchwang ſich auf ſein Pferd und trabte davon. — Vielleicht finden wir einander wieder, war ſein lezter Zuruf, dann wollen wir ſehn!
Belphegor ſaß unbeweglich, wie in den Boden gepflanzt, ſeufzte, weinte mit unter ein Troͤpfchen, erklamirte, winſelte, ſchalt, lobte ſeinen weggegangnen Freund, zaͤhlte ſein Geſchenk, warf es von ſich, las es wie- der zuſammen; und endlich nach zwo Stun- den voll ſolcher unruhigen aͤngſtlichen Gri- maſſen, da die Daͤmmerung einbrach, fieng er an zu uͤberlegen, was bey ſo geſtalten Sa- chen zu thun ſey. Die Daͤmmerung wurde zu pechſch warzer Nacht, und ſeine Ueberle- gung war dem Entſchluſſe keinen Strohhalm breit naͤher; er ſank vor Mattigkeit nieder, ſchlief ein, und fand bey dem Erwachen fuͤr ſeine Berathſchlagung ſo freyes Feld als Ta- ges vorher.
Die Ruhe hatte indeſſen ſeine Laͤhmung und ſeinen Schmerz verſchlungen; er konnte
wieder
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aber deine Empfindung, Akanten und ihr An-
denken laß um des Himmels willen hier auf
dieſem Flecke zuruͤck! Lebe wohl! — und gleich
gab er dem ſtummen Belphegor einen freund-
ſchaftlichen Kuß, ſchwang ſich auf ſein Pferd
und trabte davon. — Vielleicht finden wir
einander wieder, war ſein lezter Zuruf, dann
wollen wir ſehn!
Belphegor ſaß unbeweglich, wie in den
Boden gepflanzt, ſeufzte, weinte mit unter
ein Troͤpfchen, erklamirte, winſelte, ſchalt,
lobte ſeinen weggegangnen Freund, zaͤhlte
ſein Geſchenk, warf es von ſich, las es wie-
der zuſammen; und endlich nach zwo Stun-
den voll ſolcher unruhigen aͤngſtlichen Gri-
maſſen, da die Daͤmmerung einbrach, fieng
er an zu uͤberlegen, was bey ſo geſtalten Sa-
chen zu thun ſey. Die Daͤmmerung wurde
zu pechſch warzer Nacht, und ſeine Ueberle-
gung war dem Entſchluſſe keinen Strohhalm
breit naͤher; er ſank vor Mattigkeit nieder,
ſchlief ein, und fand bey dem Erwachen fuͤr
ſeine Berathſchlagung ſo freyes Feld als Ta-
ges vorher.
Die Ruhe hatte indeſſen ſeine Laͤhmung
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/36>, abgerufen am 24.11.2024.
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