keit bewenden: andre, die wider keins von ihren Augen erhebliche Einwürfe zu machen fanden, ließen sich in ihrer Wahl vom Zu- falle bestimmen: da aber an allen Köpfen nicht dasselbe Auge schadhaft, oder natürlich blind war, oder vom Zufalle getroffen wurde, so waren abermals die Abissinier getheilt, aber- mals in der größten Verlegenheit. Sie wa- ren wenigstens in so weit klüger, daß sie oh- ne Blutvergießen sich sogleich an den großen Neguz wandten, der sie belehren ließ, daß ihm das linke Auge ganz fehle. Welches Unglück für diejenigen, die sich das rechte ge- blendet hatten! Sie mußten, wie Bastarte des Reichs, zu ihrer Kränkung Zeitlebens in ewiger Unähnlichkeit mit dem Neguz bleiben, wie Verworfne von den übrigen verachtet werden, oder sich ganz blind machen. Einige brachten mit neidischer Verzweiflung viele ihrer glücklichen Mitunterthanen um, andre tödteten sich selbst, noch andre gerie- then auf den sinnreichen Einfall, das linke Auge ausheben und in die leere rechte Augen- höle versetzen zu lassen, und da kein einziger geschickter Okulist unter dem abissinischen Himmel bisher aufgewachsen ist, so wurden
keit bewenden: andre, die wider keins von ihren Augen erhebliche Einwuͤrfe zu machen fanden, ließen ſich in ihrer Wahl vom Zu- falle beſtimmen: da aber an allen Koͤpfen nicht daſſelbe Auge ſchadhaft, oder natuͤrlich blind war, oder vom Zufalle getroffen wurde, ſo waren abermals die Abiſſinier getheilt, aber- mals in der groͤßten Verlegenheit. Sie wa- ren wenigſtens in ſo weit kluͤger, daß ſie oh- ne Blutvergießen ſich ſogleich an den großen Neguz wandten, der ſie belehren ließ, daß ihm das linke Auge ganz fehle. Welches Ungluͤck fuͤr diejenigen, die ſich das rechte ge- blendet hatten! Sie mußten, wie Baſtarte des Reichs, zu ihrer Kraͤnkung Zeitlebens in ewiger Unaͤhnlichkeit mit dem Neguz bleiben, wie Verworfne von den uͤbrigen verachtet werden, oder ſich ganz blind machen. Einige brachten mit neidiſcher Verzweiflung viele ihrer gluͤcklichen Mitunterthanen um, andre toͤdteten ſich ſelbſt, noch andre gerie- then auf den ſinnreichen Einfall, das linke Auge ausheben und in die leere rechte Augen- hoͤle verſetzen zu laſſen, und da kein einziger geſchickter Okuliſt unter dem abiſſiniſchen Himmel bisher aufgewachſen iſt, ſo wurden
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keit bewenden: andre, die wider keins von
ihren Augen erhebliche Einwuͤrfe zu machen
fanden, ließen ſich in ihrer Wahl vom Zu-
falle beſtimmen: da aber an allen Koͤpfen
nicht daſſelbe Auge ſchadhaft, oder natuͤrlich
blind war, oder vom Zufalle getroffen wurde,
ſo waren abermals die Abiſſinier getheilt, aber-
mals in der groͤßten Verlegenheit. Sie wa-
ren wenigſtens in ſo weit kluͤger, daß ſie oh-
ne Blutvergießen ſich ſogleich an den großen
Neguz wandten, der ſie belehren ließ, daß
ihm das linke Auge ganz fehle. Welches
Ungluͤck fuͤr diejenigen, die ſich das rechte ge-
blendet hatten! Sie mußten, wie Baſtarte
des Reichs, zu ihrer Kraͤnkung Zeitlebens in
ewiger Unaͤhnlichkeit mit dem Neguz bleiben,
wie Verworfne von den uͤbrigen verachtet
werden, oder ſich ganz blind machen.
Einige brachten mit neidiſcher Verzweiflung
viele ihrer gluͤcklichen Mitunterthanen um,
andre toͤdteten ſich ſelbſt, noch andre gerie-
then auf den ſinnreichen Einfall, das linke
Auge ausheben und in die leere rechte Augen-
hoͤle verſetzen zu laſſen, und da kein einziger
geſchickter Okuliſt unter dem abiſſiniſchen
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/305>, abgerufen am 28.11.2024.
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