dieses Phänomens und bekam zur Antwort: der mächtige Neguz niest. -- Niest? rief er; das muß wahrhaftig ein mächtiger Monarch seyn, der mit seiner Nase einen solchen Sturm- wind erregen kann. -- Ach, erwiederte man, der große Kaiser niest, wie jeder Sterbliche, allein es ist hier die Gewohnheit, daß Unter- thanen und Monarch in einer beständigen Uebereinstimmung leben. Jede Handlung, die er thut, muß das ganze Land thun; und wo sich das nicht schickt, wenigstens seine Hofstatt. Wenn er niest, so wird ein Zei- chen von dazu bestellten Leuten gegeben; und der ganze Hof niest: in gewissen Entfernun- gen sind durch alle Provinzen Posten gestellt, die einander diese Zeichen durch einen weittö- nenden Knall mittheilen: diese Mittheilung erstreckt sich durch das ganze Land, das ihm unmittelbar unterworfen ist, und bringt es dahin, daß eine halbe Stunde nach dem Niesen des Neguz das ganze Land herumge- niest hat. -- So geht es mit vielen andern Handlungen, die ich nicht nennen mag, sagte sein Belehrer, und die das ganze Land gewis- senhaft und pünktlich nachthut. Dieses ist unterdessen nur auf die hauptsächlichsten Ver-
S 5
dieſes Phaͤnomens und bekam zur Antwort: der maͤchtige Neguz nieſt. — Nieſt? rief er; das muß wahrhaftig ein maͤchtiger Monarch ſeyn, der mit ſeiner Naſe einen ſolchen Sturm- wind erregen kann. — Ach, erwiederte man, der große Kaiſer nieſt, wie jeder Sterbliche, allein es iſt hier die Gewohnheit, daß Unter- thanen und Monarch in einer beſtaͤndigen Uebereinſtimmung leben. Jede Handlung, die er thut, muß das ganze Land thun; und wo ſich das nicht ſchickt, wenigſtens ſeine Hofſtatt. Wenn er nieſt, ſo wird ein Zei- chen von dazu beſtellten Leuten gegeben; und der ganze Hof nieſt: in gewiſſen Entfernun- gen ſind durch alle Provinzen Poſten geſtellt, die einander dieſe Zeichen durch einen weittoͤ- nenden Knall mittheilen: dieſe Mittheilung erſtreckt ſich durch das ganze Land, das ihm unmittelbar unterworfen iſt, und bringt es dahin, daß eine halbe Stunde nach dem Nieſen des Neguz das ganze Land herumge- nieſt hat. — So geht es mit vielen andern Handlungen, die ich nicht nennen mag, ſagte ſein Belehrer, und die das ganze Land gewiſ- ſenhaft und puͤnktlich nachthut. Dieſes iſt unterdeſſen nur auf die hauptſaͤchlichſten Ver-
S 5
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0301"n="281"/>
dieſes Phaͤnomens und bekam zur Antwort:<lb/>
der maͤchtige Neguz nieſt. — Nieſt? rief er;<lb/>
das muß wahrhaftig ein maͤchtiger Monarch<lb/>ſeyn, der mit ſeiner Naſe einen ſolchen Sturm-<lb/>
wind erregen kann. — Ach, erwiederte man,<lb/>
der große Kaiſer nieſt, wie jeder Sterbliche,<lb/>
allein es iſt hier die Gewohnheit, daß Unter-<lb/>
thanen und Monarch in einer beſtaͤndigen<lb/>
Uebereinſtimmung leben. Jede Handlung,<lb/>
die <hirendition="#fr">er</hi> thut, muß das ganze Land thun; und<lb/>
wo ſich das nicht ſchickt, wenigſtens ſeine<lb/>
Hofſtatt. Wenn <hirendition="#fr">er</hi> nieſt, ſo wird ein Zei-<lb/>
chen von dazu beſtellten Leuten gegeben; und<lb/>
der ganze Hof nieſt: in gewiſſen Entfernun-<lb/>
gen ſind durch alle Provinzen Poſten geſtellt,<lb/>
die einander dieſe Zeichen durch einen weittoͤ-<lb/>
nenden Knall mittheilen: dieſe Mittheilung<lb/>
erſtreckt ſich durch das ganze Land, das ihm<lb/>
unmittelbar unterworfen iſt, und bringt es<lb/>
dahin, daß eine halbe Stunde nach dem<lb/>
Nieſen des Neguz das ganze Land herumge-<lb/>
nieſt hat. — So geht es mit vielen andern<lb/>
Handlungen, die ich nicht nennen mag, ſagte<lb/>ſein Belehrer, und die das ganze Land gewiſ-<lb/>ſenhaft und puͤnktlich nachthut. Dieſes iſt<lb/>
unterdeſſen nur auf die hauptſaͤchlichſten Ver-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">S 5</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[281/0301]
dieſes Phaͤnomens und bekam zur Antwort:
der maͤchtige Neguz nieſt. — Nieſt? rief er;
das muß wahrhaftig ein maͤchtiger Monarch
ſeyn, der mit ſeiner Naſe einen ſolchen Sturm-
wind erregen kann. — Ach, erwiederte man,
der große Kaiſer nieſt, wie jeder Sterbliche,
allein es iſt hier die Gewohnheit, daß Unter-
thanen und Monarch in einer beſtaͤndigen
Uebereinſtimmung leben. Jede Handlung,
die er thut, muß das ganze Land thun; und
wo ſich das nicht ſchickt, wenigſtens ſeine
Hofſtatt. Wenn er nieſt, ſo wird ein Zei-
chen von dazu beſtellten Leuten gegeben; und
der ganze Hof nieſt: in gewiſſen Entfernun-
gen ſind durch alle Provinzen Poſten geſtellt,
die einander dieſe Zeichen durch einen weittoͤ-
nenden Knall mittheilen: dieſe Mittheilung
erſtreckt ſich durch das ganze Land, das ihm
unmittelbar unterworfen iſt, und bringt es
dahin, daß eine halbe Stunde nach dem
Nieſen des Neguz das ganze Land herumge-
nieſt hat. — So geht es mit vielen andern
Handlungen, die ich nicht nennen mag, ſagte
ſein Belehrer, und die das ganze Land gewiſ-
ſenhaft und puͤnktlich nachthut. Dieſes iſt
unterdeſſen nur auf die hauptſaͤchlichſten Ver-
S 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/301>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.