Karavane nach Nigritien geschaft, um dort von dem weisesten und menschlichsten Volke des Erdbodens, den Engländern, als Sklave eingehandelt zu werden.
Keine Seuche auf unserm Planeten kann eine so ansteckende Kraft haben, als die Lei- denschaft: hat sich eine in unser Herz geschli- chen, so können wir sicher seyn, daß bald ein ganzes Heer daraus aufwachsen wird, wie aus den Drachenzähnen des Kadmus, das sich auf dem Grunde, wo es aufschoß, ewig her- umtummelt, kämpft, haut und sticht, bis alle außer einer niedergemacht find. Belphegor war von seiner Unruhe über das Unglück sei- nes Freundes noch nicht völlig wiederherge- stellt, er machte sich noch täglich Vorwürfe über seinen Antheil an der Veranlassung des- selben, und nahm Besiz von seinem entledig- ten Reiche; weder er noch ein andrer seiner Mitvasallen hatten Anspruch darauf, und doch war er der erste, der einen darauf mach- te. Der König von Segelmesse war keines- wegs gesonnen, einem andern als sich selbst ein Gebiet zu gönnen, dessen Besitzer er in kurzem wieder zu fürchten hätte; er erklärte sich ohne Umftände für den rechtmäßigen
Karavane nach Nigritien geſchaft, um dort von dem weiſeſten und menſchlichſten Volke des Erdbodens, den Englaͤndern, als Sklave eingehandelt zu werden.
Keine Seuche auf unſerm Planeten kann eine ſo anſteckende Kraft haben, als die Lei- denſchaft: hat ſich eine in unſer Herz geſchli- chen, ſo koͤnnen wir ſicher ſeyn, daß bald ein ganzes Heer daraus aufwachſen wird, wie aus den Drachenzaͤhnen des Kadmus, das ſich auf dem Grunde, wo es aufſchoß, ewig her- umtummelt, kaͤmpft, haut und ſticht, bis alle außer einer niedergemacht find. Belphegor war von ſeiner Unruhe uͤber das Ungluͤck ſei- nes Freundes noch nicht voͤllig wiederherge- ſtellt, er machte ſich noch taͤglich Vorwuͤrfe uͤber ſeinen Antheil an der Veranlaſſung deſ- ſelben, und nahm Beſiz von ſeinem entledig- ten Reiche; weder er noch ein andrer ſeiner Mitvaſallen hatten Anſpruch darauf, und doch war er der erſte, der einen darauf mach- te. Der Koͤnig von Segelmeſſe war keines- wegs geſonnen, einem andern als ſich ſelbſt ein Gebiet zu goͤnnen, deſſen Beſitzer er in kurzem wieder zu fuͤrchten haͤtte; er erklaͤrte ſich ohne Umftaͤnde fuͤr den rechtmaͤßigen
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Karavane nach Nigritien geſchaft, um dort
von dem weiſeſten und menſchlichſten Volke
des Erdbodens, den Englaͤndern, als Sklave
eingehandelt zu werden.
Keine Seuche auf unſerm Planeten kann
eine ſo anſteckende Kraft haben, als die Lei-
denſchaft: hat ſich eine in unſer Herz geſchli-
chen, ſo koͤnnen wir ſicher ſeyn, daß bald ein
ganzes Heer daraus aufwachſen wird, wie
aus den Drachenzaͤhnen des Kadmus, das ſich
auf dem Grunde, wo es aufſchoß, ewig her-
umtummelt, kaͤmpft, haut und ſticht, bis alle
außer einer niedergemacht find. Belphegor
war von ſeiner Unruhe uͤber das Ungluͤck ſei-
nes Freundes noch nicht voͤllig wiederherge-
ſtellt, er machte ſich noch taͤglich Vorwuͤrfe
uͤber ſeinen Antheil an der Veranlaſſung deſ-
ſelben, und nahm Beſiz von ſeinem entledig-
ten Reiche; weder er noch ein andrer ſeiner
Mitvaſallen hatten Anſpruch darauf, und
doch war er der erſte, der einen darauf mach-
te. Der Koͤnig von Segelmeſſe war keines-
wegs geſonnen, einem andern als ſich ſelbſt
ein Gebiet zu goͤnnen, deſſen Beſitzer er in
kurzem wieder zu fuͤrchten haͤtte; er erklaͤrte
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/287>, abgerufen am 25.11.2024.
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