errathen ließ, daß seinem Gefährten eine Ge- fahr bevorstünde, ob er gleich die eigentliche Beschaffenheit derselben nicht zu erfahren ver- mochte. Ehe er sie ausstudieren konnte, sah er seinen armen Freund schon von den Prie- stern umringt, die ihn mit den heiligen Bin- den von Palmblättern behiengen und zur Speise der Löwen einweihten. Fromal er- rieth zwar ihre Absicht nicht, allein aus dem vorhergehenden Winke eines Schwarzen schloß er doch nichts Gutes; er zischelte dem Bel- phegor seinen Argwohn ins Ohr, der ihn nicht so bald vernahm, als er mit seiner ge- wohnten Heftigkeit auf die Priester losgehn wollte: doch Fromal stieß ihn zurück und übernahm es, für ihn zu sprechen: er drohte mit seinem Säbel, riß dem Medardus den gan- zen Opferschmuck vom Leibe und stellte sich zu seiner Beschützung neben ihn, welches auch Belphegor that. Mit gezognen Säbeln er- warteten sie alle drey in geschloßner Reihe den Angriff; niemand wagte es: doch plözlich, schneller als sie sehen konnten, war Medar- dus mitten aus ihnen verschwunden, mit Leib und Seele verschwunden. Sie staunten, sie drohten nochmals, foderten ihn wieder: nichts
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errathen ließ, daß ſeinem Gefaͤhrten eine Ge- fahr bevorſtuͤnde, ob er gleich die eigentliche Beſchaffenheit derſelben nicht zu erfahren ver- mochte. Ehe er ſie ausſtudieren konnte, ſah er ſeinen armen Freund ſchon von den Prie- ſtern umringt, die ihn mit den heiligen Bin- den von Palmblaͤttern behiengen und zur Speiſe der Loͤwen einweihten. Fromal er- rieth zwar ihre Abſicht nicht, allein aus dem vorhergehenden Winke eines Schwarzen ſchloß er doch nichts Gutes; er ziſchelte dem Bel- phegor ſeinen Argwohn ins Ohr, der ihn nicht ſo bald vernahm, als er mit ſeiner ge- wohnten Heftigkeit auf die Prieſter losgehn wollte: doch Fromal ſtieß ihn zuruͤck und uͤbernahm es, fuͤr ihn zu ſprechen: er drohte mit ſeinem Saͤbel, riß dem Medardus den gan- zen Opferſchmuck vom Leibe und ſtellte ſich zu ſeiner Beſchuͤtzung neben ihn, welches auch Belphegor that. Mit gezognen Saͤbeln er- warteten ſie alle drey in geſchloßner Reihe den Angriff; niemand wagte es: doch ploͤzlich, ſchneller als ſie ſehen konnten, war Medar- dus mitten aus ihnen verſchwunden, mit Leib und Seele verſchwunden. Sie ſtaunten, ſie drohten nochmals, foderten ihn wieder: nichts
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errathen ließ, daß ſeinem Gefaͤhrten eine Ge-
fahr bevorſtuͤnde, ob er gleich die eigentliche
Beſchaffenheit derſelben nicht zu erfahren ver-
mochte. Ehe er ſie ausſtudieren konnte, ſah
er ſeinen armen Freund ſchon von den Prie-
ſtern umringt, die ihn mit den heiligen Bin-
den von Palmblaͤttern behiengen und zur
Speiſe der Loͤwen einweihten. Fromal er-
rieth zwar ihre Abſicht nicht, allein aus dem
vorhergehenden Winke eines Schwarzen ſchloß
er doch nichts Gutes; er ziſchelte dem Bel-
phegor ſeinen Argwohn ins Ohr, der ihn
nicht ſo bald vernahm, als er mit ſeiner ge-
wohnten Heftigkeit auf die Prieſter losgehn
wollte: doch Fromal ſtieß ihn zuruͤck und
uͤbernahm es, fuͤr ihn zu ſprechen: er drohte mit
ſeinem Saͤbel, riß dem Medardus den gan-
zen Opferſchmuck vom Leibe und ſtellte ſich zu
ſeiner Beſchuͤtzung neben ihn, welches auch
Belphegor that. Mit gezognen Saͤbeln er-
warteten ſie alle drey in geſchloßner Reihe den
Angriff; niemand wagte es: doch ploͤzlich,
ſchneller als ſie ſehen konnten, war Medar-
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und Seele verſchwunden. Sie ſtaunten, ſie
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/251>, abgerufen am 25.11.2024.
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