zu verachten, zu verfolgen. -- Was sind Städte anders als Fechtplätze, wo man mit Verläumdungen streitet? -- Alles, alles nüzten die Menschen, um den Naturkrieg fort- zusetzen, von dem unsre Kultur nichts als eine veränderte gemilderte Form ist, wie ich vorhin sagte.
Es wurden Monarchen; man kämpfte um ihre Gunst. Es wurden Ehren, Titel und Würden; man kämpfte darum. Doch unter den vielen possierlichen Kriegen hat mir kei- ner mehr Laune gegeben, als der Kampf um öffentlichen Beifall. Wenn ein Dichter über alle seine werthen Zunftgenossen sich bit- ter satirisch lustig macht, ist das etwas anders als zu dem Publikum sagen: ihr lieben Leute, ich will euch zwingen, daß ihr mich alle für den größten Geist erkennen sollt; und hat er sich in den Besiz seines gesuchten Ruhms hin- eingedrängt, so hat er nichts gethan, als die Leute beredet daß sie ihm den Gefallen er- zeigt und ihn für etwas Großes gehalten ha- ben. -- Was sind Spiele, gesellschaftliche Ergötzungen anders als Kriege im Grunde? Auch wenn er sich die Zeit verkürzen soll, muß der Mensch streiten, mit der Karte, dem
zu verachten, zu verfolgen. — Was ſind Staͤdte anders als Fechtplaͤtze, wo man mit Verlaͤumdungen ſtreitet? — Alles, alles nuͤzten die Menſchen, um den Naturkrieg fort- zuſetzen, von dem unſre Kultur nichts als eine veraͤnderte gemilderte Form iſt, wie ich vorhin ſagte.
Es wurden Monarchen; man kaͤmpfte um ihre Gunſt. Es wurden Ehren, Titel und Wuͤrden; man kaͤmpfte darum. Doch unter den vielen poſſierlichen Kriegen hat mir kei- ner mehr Laune gegeben, als der Kampf um oͤffentlichen Beifall. Wenn ein Dichter uͤber alle ſeine werthen Zunftgenoſſen ſich bit- ter ſatiriſch luſtig macht, iſt das etwas anders als zu dem Publikum ſagen: ihr lieben Leute, ich will euch zwingen, daß ihr mich alle fuͤr den groͤßten Geiſt erkennen ſollt; und hat er ſich in den Beſiz ſeines geſuchten Ruhms hin- eingedraͤngt, ſo hat er nichts gethan, als die Leute beredet daß ſie ihm den Gefallen er- zeigt und ihn fuͤr etwas Großes gehalten ha- ben. — Was ſind Spiele, geſellſchaftliche Ergoͤtzungen anders als Kriege im Grunde? Auch wenn er ſich die Zeit verkuͤrzen ſoll, muß der Menſch ſtreiten, mit der Karte, dem
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zu verachten, zu verfolgen. — Was ſind
Staͤdte anders als Fechtplaͤtze, wo man mit
Verlaͤumdungen ſtreitet? — Alles, alles
nuͤzten die Menſchen, um den Naturkrieg fort-
zuſetzen, von dem unſre Kultur nichts als
eine veraͤnderte gemilderte Form iſt, wie ich
vorhin ſagte.
Es wurden Monarchen; man kaͤmpfte um
ihre Gunſt. Es wurden Ehren, Titel und
Wuͤrden; man kaͤmpfte darum. Doch unter
den vielen poſſierlichen Kriegen hat mir kei-
ner mehr Laune gegeben, als der Kampf um
oͤffentlichen Beifall. Wenn ein Dichter
uͤber alle ſeine werthen Zunftgenoſſen ſich bit-
ter ſatiriſch luſtig macht, iſt das etwas anders
als zu dem Publikum ſagen: ihr lieben Leute,
ich will euch zwingen, daß ihr mich alle fuͤr
den groͤßten Geiſt erkennen ſollt; und hat er
ſich in den Beſiz ſeines geſuchten Ruhms hin-
eingedraͤngt, ſo hat er nichts gethan, als die
Leute beredet daß ſie ihm den Gefallen er-
zeigt und ihn fuͤr etwas Großes gehalten ha-
ben. — Was ſind Spiele, geſellſchaftliche
Ergoͤtzungen anders als Kriege im Grunde?
Auch wenn er ſich die Zeit verkuͤrzen ſoll, muß
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/236>, abgerufen am 17.07.2024.
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