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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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Med. Jch hätte selbst ein Scheitchen
Holz mit hinzutragen wollen.

Fr. Das Blut so vieler zu vergießen, um
der übrigen Herr zu seyn!

Med. Die Königinn Tomiris machte es
recht; wenn sie doch lieber den blutdürstigen
Cyrus vorher, ehe er auszog, so mit seinem
Blute ersäuft hätte! -- Siehst du, Brüder-
chen? wahrhaftig, wenn ich Alexander wäre,
ich könnte keine Nacht ruhig schlafen: alle die
Leute, die um meinetwillen ermordet wären,
stünden des Nachts um mein Bette und heul-
ten und röchelten um mein Kopfküssen*); mit
jedem Schlucke Apfelwein dächte ich einen
Todtenkopf hinunterzuschlingen; bey jedem
Bissen Brodte fiel mir bey, das mag wohl den
Leuten aus dem Leibe gewachsen seyn, die ich
habe erwürgen lassen; bey meiner Schlaf-
mütze! ich vertauschte hier das Fleckchen lei-
digen Koth, auf dem ich sitze, nicht gegen
Alexanders ganze Monarchie, wenn ich sein
Gewissen mitnehmen müßte: das Herz muß
ihm doch geschlagen haben, so hoch, wie die
Wellen auf der See. --

*) We Shall sit heavy on thy Soul to-morrow.
Shakesp.


Med. Jch haͤtte ſelbſt ein Scheitchen
Holz mit hinzutragen wollen.

Fr. Das Blut ſo vieler zu vergießen, um
der uͤbrigen Herr zu ſeyn!

Med. Die Koͤniginn Tomiris machte es
recht; wenn ſie doch lieber den blutduͤrſtigen
Cyrus vorher, ehe er auszog, ſo mit ſeinem
Blute erſaͤuft haͤtte! — Siehſt du, Bruͤder-
chen? wahrhaftig, wenn ich Alexander waͤre,
ich koͤnnte keine Nacht ruhig ſchlafen: alle die
Leute, die um meinetwillen ermordet waͤren,
ſtuͤnden des Nachts um mein Bette und heul-
ten und roͤchelten um mein Kopfkuͤſſen*); mit
jedem Schlucke Apfelwein daͤchte ich einen
Todtenkopf hinunterzuſchlingen; bey jedem
Biſſen Brodte fiel mir bey, das mag wohl den
Leuten aus dem Leibe gewachſen ſeyn, die ich
habe erwuͤrgen laſſen; bey meiner Schlaf-
muͤtze! ich vertauſchte hier das Fleckchen lei-
digen Koth, auf dem ich ſitze, nicht gegen
Alexanders ganze Monarchie, wenn ich ſein
Gewiſſen mitnehmen muͤßte: das Herz muß
ihm doch geſchlagen haben, ſo hoch, wie die
Wellen auf der See. —

*) We Shall ſit heavy on thy Soul to-morrow.
Shakesp.
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[198/0218] Med. Jch haͤtte ſelbſt ein Scheitchen Holz mit hinzutragen wollen. Fr. Das Blut ſo vieler zu vergießen, um der uͤbrigen Herr zu ſeyn! Med. Die Koͤniginn Tomiris machte es recht; wenn ſie doch lieber den blutduͤrſtigen Cyrus vorher, ehe er auszog, ſo mit ſeinem Blute erſaͤuft haͤtte! — Siehſt du, Bruͤder- chen? wahrhaftig, wenn ich Alexander waͤre, ich koͤnnte keine Nacht ruhig ſchlafen: alle die Leute, die um meinetwillen ermordet waͤren, ſtuͤnden des Nachts um mein Bette und heul- ten und roͤchelten um mein Kopfkuͤſſen *); mit jedem Schlucke Apfelwein daͤchte ich einen Todtenkopf hinunterzuſchlingen; bey jedem Biſſen Brodte fiel mir bey, das mag wohl den Leuten aus dem Leibe gewachſen ſeyn, die ich habe erwuͤrgen laſſen; bey meiner Schlaf- muͤtze! ich vertauſchte hier das Fleckchen lei- digen Koth, auf dem ich ſitze, nicht gegen Alexanders ganze Monarchie, wenn ich ſein Gewiſſen mitnehmen muͤßte: das Herz muß ihm doch geſchlagen haben, ſo hoch, wie die Wellen auf der See. — *) We Shall ſit heavy on thy Soul to-morrow. Shakesp.

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/218>, abgerufen am 24.11.2024.