Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite



Ehre. War das nicht eine Verfeinerung,
eine Erhebung ihrer Kräfte? -- sie konnten
sich izt schon umbringen, ohne etwas anders
dabey zur Absicht zu haben, als die Ehre --
sich umgebracht zu haben. Die Herrscher
dünkten sich die größten, die vortreflichsten,
deren Rotten am unbarmherzigsten gemordet,
und fremde Distrikte am geschicktesten zur
Wüste gemacht hatten.

Jndessen war die Dosis Mitleid, die die
Natur ursprünglich mitgetheilet hatte, in Be-
wegung gesezt worden, diese brachte etliche
Jdeen von Unmenschlichkeit, Grausamkeit,
Barbarey und dergleichen in die Köpfe; man
schämte sich des Mordens ein wenig: man
gab ihm einen Namen, der sich mit jenem
Gefühle vertrug, und die Rotten mordeten
mit ruhigem Gewissen fort, weil das Ding
einen hübschen Namen führte, um dessentwil-
len sie oft gar etwas verdienstliches zu thun
glaubten.

Wenn doch jemand den Ninus, Sesostris,
Nebukadnezar, Cyrus, Xerxes, Alexander
und ihre Nachfolger wohlmeinend zu Asche
verbrannt hätte, ehe sie ihre blutigen Erobe-
rungsprojekte ausführen konnten! --

N 3



Ehre. War das nicht eine Verfeinerung,
eine Erhebung ihrer Kraͤfte? — ſie konnten
ſich izt ſchon umbringen, ohne etwas anders
dabey zur Abſicht zu haben, als die Ehre —
ſich umgebracht zu haben. Die Herrſcher
duͤnkten ſich die groͤßten, die vortreflichſten,
deren Rotten am unbarmherzigſten gemordet,
und fremde Diſtrikte am geſchickteſten zur
Wuͤſte gemacht hatten.

Jndeſſen war die Doſis Mitleid, die die
Natur urſpruͤnglich mitgetheilet hatte, in Be-
wegung geſezt worden, dieſe brachte etliche
Jdeen von Unmenſchlichkeit, Grauſamkeit,
Barbarey und dergleichen in die Koͤpfe; man
ſchaͤmte ſich des Mordens ein wenig: man
gab ihm einen Namen, der ſich mit jenem
Gefuͤhle vertrug, und die Rotten mordeten
mit ruhigem Gewiſſen fort, weil das Ding
einen huͤbſchen Namen fuͤhrte, um deſſentwil-
len ſie oft gar etwas verdienſtliches zu thun
glaubten.

Wenn doch jemand den Ninus, Seſoſtris,
Nebukadnezar, Cyrus, Xerxes, Alexander
und ihre Nachfolger wohlmeinend zu Aſche
verbrannt haͤtte, ehe ſie ihre blutigen Erobe-
rungsprojekte ausfuͤhren konnten! —

N 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0217" n="197"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Ehre. War das nicht eine Verfeinerung,<lb/>
eine Erhebung ihrer Kra&#x0364;fte? &#x2014; &#x017F;ie konnten<lb/>
&#x017F;ich izt &#x017F;chon umbringen, ohne etwas anders<lb/>
dabey zur Ab&#x017F;icht zu haben, als die Ehre &#x2014;<lb/>
&#x017F;ich umgebracht zu haben. Die Herr&#x017F;cher<lb/>
du&#x0364;nkten &#x017F;ich die gro&#x0364;ßten, die vortreflich&#x017F;ten,<lb/>
deren Rotten am unbarmherzig&#x017F;ten gemordet,<lb/>
und fremde Di&#x017F;trikte am ge&#x017F;chickte&#x017F;ten zur<lb/>
Wu&#x0364;&#x017F;te gemacht hatten.</p><lb/>
        <p>Jnde&#x017F;&#x017F;en war die Do&#x017F;is Mitleid, die die<lb/>
Natur ur&#x017F;pru&#x0364;nglich mitgetheilet hatte, in Be-<lb/>
wegung ge&#x017F;ezt worden, die&#x017F;e brachte etliche<lb/>
Jdeen von Unmen&#x017F;chlichkeit, Grau&#x017F;amkeit,<lb/>
Barbarey und dergleichen in die Ko&#x0364;pfe; man<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;mte &#x017F;ich des Mordens ein wenig: man<lb/>
gab ihm einen <hi rendition="#fr">Namen,</hi> der &#x017F;ich mit jenem<lb/>
Gefu&#x0364;hle vertrug, und die Rotten mordeten<lb/>
mit ruhigem Gewi&#x017F;&#x017F;en fort, weil das Ding<lb/>
einen hu&#x0364;b&#x017F;chen Namen fu&#x0364;hrte, um de&#x017F;&#x017F;entwil-<lb/>
len &#x017F;ie oft gar etwas verdien&#x017F;tliches zu thun<lb/>
glaubten.</p><lb/>
        <p>Wenn doch jemand den Ninus, Se&#x017F;o&#x017F;tris,<lb/>
Nebukadnezar, Cyrus, Xerxes, Alexander<lb/>
und ihre Nachfolger wohlmeinend zu A&#x017F;che<lb/>
verbrannt ha&#x0364;tte, ehe &#x017F;ie ihre blutigen Erobe-<lb/>
rungsprojekte ausfu&#x0364;hren konnten! &#x2014;</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">N 3</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[197/0217] Ehre. War das nicht eine Verfeinerung, eine Erhebung ihrer Kraͤfte? — ſie konnten ſich izt ſchon umbringen, ohne etwas anders dabey zur Abſicht zu haben, als die Ehre — ſich umgebracht zu haben. Die Herrſcher duͤnkten ſich die groͤßten, die vortreflichſten, deren Rotten am unbarmherzigſten gemordet, und fremde Diſtrikte am geſchickteſten zur Wuͤſte gemacht hatten. Jndeſſen war die Doſis Mitleid, die die Natur urſpruͤnglich mitgetheilet hatte, in Be- wegung geſezt worden, dieſe brachte etliche Jdeen von Unmenſchlichkeit, Grauſamkeit, Barbarey und dergleichen in die Koͤpfe; man ſchaͤmte ſich des Mordens ein wenig: man gab ihm einen Namen, der ſich mit jenem Gefuͤhle vertrug, und die Rotten mordeten mit ruhigem Gewiſſen fort, weil das Ding einen huͤbſchen Namen fuͤhrte, um deſſentwil- len ſie oft gar etwas verdienſtliches zu thun glaubten. Wenn doch jemand den Ninus, Seſoſtris, Nebukadnezar, Cyrus, Xerxes, Alexander und ihre Nachfolger wohlmeinend zu Aſche verbrannt haͤtte, ehe ſie ihre blutigen Erobe- rungsprojekte ausfuͤhren konnten! — N 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/217
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/217>, abgerufen am 28.11.2024.