Verschiedene Schriftsteller haben uns die Welt und den Menschen als vortreflich geschildert: aber entweder betrogen sie sich selbst, oder wollten sie die Leser betrie- gen; entweder kannten sie den Menschen nicht genug, nur von einer Seite, oder wollten sie die Leser bestechen und sie über- reden, daß sie die Züge ihres Gemähldes von ihrem eignen Herzen kopirt hätten. Der Verfasser glaubt wenigstens kein schlechter Herz empfangen zu haben, als diese Herren, wenn es auch nicht besser ist, und ohne die Welt und den Menschen mehr oder weniger kennen zu wollen, als sie, sagt er, was jeder Schriftsteller einzig sagen kann -- was ihm scheint, nichts als das Resultat seiner Beobachtungen.
Verſchiedene Schriftſteller haben uns die Welt und den Menſchen als vortreflich geſchildert: aber entweder betrogen ſie ſich ſelbſt, oder wollten ſie die Leſer betrie- gen; entweder kannten ſie den Menſchen nicht genug, nur von einer Seite, oder wollten ſie die Leſer beſtechen und ſie uͤber- reden, daß ſie die Zuͤge ihres Gemaͤhldes von ihrem eignen Herzen kopirt haͤtten. Der Verfaſſer glaubt wenigſtens kein ſchlechter Herz empfangen zu haben, als dieſe Herren, wenn es auch nicht beſſer iſt, und ohne die Welt und den Menſchen mehr oder weniger kennen zu wollen, als ſie, ſagt er, was jeder Schriftſteller einzig ſagen kann — was ihm ſcheint, nichts als das Reſultat ſeiner Beobachtungen.
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[X/0016]
Verſchiedene Schriftſteller haben uns
die Welt und den Menſchen als vortreflich
geſchildert: aber entweder betrogen ſie ſich
ſelbſt, oder wollten ſie die Leſer betrie-
gen; entweder kannten ſie den Menſchen
nicht genug, nur von einer Seite, oder
wollten ſie die Leſer beſtechen und ſie uͤber-
reden, daß ſie die Zuͤge ihres Gemaͤhldes
von ihrem eignen Herzen kopirt haͤtten.
Der Verfaſſer glaubt wenigſtens kein
ſchlechter Herz empfangen zu haben, als
dieſe Herren, wenn es auch nicht beſſer iſt,
und ohne die Welt und den Menſchen mehr
oder weniger kennen zu wollen, als ſie, ſagt
er, was jeder Schriftſteller einzig ſagen
kann — was ihm ſcheint, nichts als das
Reſultat ſeiner Beobachtungen.
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. X. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/16>, abgerufen am 24.11.2024.
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