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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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mir zwanzig unglückselige Jahre wieder geben
und glücklich machen? -- Nein! -- Wehe
dem Unterdrückten, dem Unrecht leidenden!
Seichter Trost, daß man ohne Verschul-
dung leidet! Er erhält das Leben, daß es der
Schmerz nicht gleich zerfrißt, um desto län-
ger daran zu nagen. --

Belphegor konnte von seinem Erstaunen
nicht zurückkommen, daß man in einem Lande,
welches die Gesezgebung der Manieren, der
Moden und Ergözlichkeiten in ganz Europa an
sich gerissen hat, die Gesetze, welche das Ei-
genthum, die Ehre und das Leben des Ein-
wohners sichern sollen, in einer Verfassung
läßt, die eine solche Unterdrückung, eine sol-
che Uebersehung der Unschuld möglich macht.
Die Gesetze, die Art des gerichtlichen Ver-
fahrens, die Verfassung muß doch die einzige
Quelle seyn, aus welchem Jhr Unglück her-
floß, sagte er. Leicht bleibt der Schuldige
ungestraft: tausend Umstände, ohne die
menschliche Schwachheit, machen es möglich;
aber wehe, wehe! wenn es möglich ist, daß
der völlig Unschuldige mit dem Schuldigen
verwechselt und an seiner Stelle gestraft wird!

J 3

mir zwanzig ungluͤckſelige Jahre wieder geben
und gluͤcklich machen? — Nein! — Wehe
dem Unterdruͤckten, dem Unrecht leidenden!
Seichter Troſt, daß man ohne Verſchul-
dung leidet! Er erhaͤlt das Leben, daß es der
Schmerz nicht gleich zerfrißt, um deſto laͤn-
ger daran zu nagen. —

Belphegor konnte von ſeinem Erſtaunen
nicht zuruͤckkommen, daß man in einem Lande,
welches die Geſezgebung der Manieren, der
Moden und Ergoͤzlichkeiten in ganz Europa an
ſich geriſſen hat, die Geſetze, welche das Ei-
genthum, die Ehre und das Leben des Ein-
wohners ſichern ſollen, in einer Verfaſſung
laͤßt, die eine ſolche Unterdruͤckung, eine ſol-
che Ueberſehung der Unſchuld moͤglich macht.
Die Geſetze, die Art des gerichtlichen Ver-
fahrens, die Verfaſſung muß doch die einzige
Quelle ſeyn, aus welchem Jhr Ungluͤck her-
floß, ſagte er. Leicht bleibt der Schuldige
ungeſtraft: tauſend Umſtaͤnde, ohne die
menſchliche Schwachheit, machen es moͤglich;
aber wehe, wehe! wenn es moͤglich iſt, daß
der voͤllig Unſchuldige mit dem Schuldigen
verwechſelt und an ſeiner Stelle geſtraft wird!

J 3
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[133/0153] mir zwanzig ungluͤckſelige Jahre wieder geben und gluͤcklich machen? — Nein! — Wehe dem Unterdruͤckten, dem Unrecht leidenden! Seichter Troſt, daß man ohne Verſchul- dung leidet! Er erhaͤlt das Leben, daß es der Schmerz nicht gleich zerfrißt, um deſto laͤn- ger daran zu nagen. — Belphegor konnte von ſeinem Erſtaunen nicht zuruͤckkommen, daß man in einem Lande, welches die Geſezgebung der Manieren, der Moden und Ergoͤzlichkeiten in ganz Europa an ſich geriſſen hat, die Geſetze, welche das Ei- genthum, die Ehre und das Leben des Ein- wohners ſichern ſollen, in einer Verfaſſung laͤßt, die eine ſolche Unterdruͤckung, eine ſol- che Ueberſehung der Unſchuld moͤglich macht. Die Geſetze, die Art des gerichtlichen Ver- fahrens, die Verfaſſung muß doch die einzige Quelle ſeyn, aus welchem Jhr Ungluͤck her- floß, ſagte er. Leicht bleibt der Schuldige ungeſtraft: tauſend Umſtaͤnde, ohne die menſchliche Schwachheit, machen es moͤglich; aber wehe, wehe! wenn es moͤglich iſt, daß der voͤllig Unſchuldige mit dem Schuldigen verwechſelt und an ſeiner Stelle geſtraft wird! J 3

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Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/153>, abgerufen am 24.11.2024.