Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

mit einiger Verachtung von mir wies, der
Anstifter der Vergiftung war, daß er durch
tausend listige Kunstgriffe der Sache eine sol-
che Wendung zu geben gewußt hatte, wo-
durch der Verdacht wider mich bis zur höch-
sten Wahrscheinlichkeit erhöht und dadurch
von ihm desto weiter entfernt wurde, welches
um so viel leichter geschehn konnte, weil nie-
mand als das Mädchen und Er um den
Mord wußten, und jenes mit einem Offiziere
außer Landes geflüchtet war. Die Treulose
war, wie ich mich nachher besonnen habe, zu
der Zeit, als mein Mann starb, mein Kam-
mermädchen, und entfloh denselben Abend,
als die Vergiftung bekannt wurde -- ein
Umstand, den man wider mich nüzte und
mich beschuldigte, mit Bestechungen das Mäd-
chen vermocht zu haben, durch ihre Flucht
meine Schuld auf sich zu nehmen. -- Güti-
ger Gott! Meine Ehre, meine Unschuld, mein
Name ist gerettet: aber zwanzig Jahre lang
unter dem drückenden Joche der Schande zu
schmachten, das, weine Herren, das nagt
das Herz. Kann eine so spät, so zufällig
erlangte Gerechtigkeit den langen Kummer,
Schmerz, Schande wieder ersetzen? kann sie

mit einiger Verachtung von mir wies, der
Anſtifter der Vergiftung war, daß er durch
tauſend liſtige Kunſtgriffe der Sache eine ſol-
che Wendung zu geben gewußt hatte, wo-
durch der Verdacht wider mich bis zur hoͤch-
ſten Wahrſcheinlichkeit erhoͤht und dadurch
von ihm deſto weiter entfernt wurde, welches
um ſo viel leichter geſchehn konnte, weil nie-
mand als das Maͤdchen und Er um den
Mord wußten, und jenes mit einem Offiziere
außer Landes gefluͤchtet war. Die Treuloſe
war, wie ich mich nachher beſonnen habe, zu
der Zeit, als mein Mann ſtarb, mein Kam-
mermaͤdchen, und entfloh denſelben Abend,
als die Vergiftung bekannt wurde — ein
Umſtand, den man wider mich nuͤzte und
mich beſchuldigte, mit Beſtechungen das Maͤd-
chen vermocht zu haben, durch ihre Flucht
meine Schuld auf ſich zu nehmen. — Guͤti-
ger Gott! Meine Ehre, meine Unſchuld, mein
Name iſt gerettet: aber zwanzig Jahre lang
unter dem druͤckenden Joche der Schande zu
ſchmachten, das, weine Herren, das nagt
das Herz. Kann eine ſo ſpaͤt, ſo zufaͤllig
erlangte Gerechtigkeit den langen Kummer,
Schmerz, Schande wieder erſetzen? kann ſie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0152" n="132"/>
mit einiger Verachtung von mir wies, der<lb/>
An&#x017F;tifter der Vergiftung war, daß er durch<lb/>
tau&#x017F;end li&#x017F;tige Kun&#x017F;tgriffe der Sache eine &#x017F;ol-<lb/>
che Wendung zu geben gewußt hatte, wo-<lb/>
durch der Verdacht wider mich bis zur ho&#x0364;ch-<lb/>
&#x017F;ten Wahr&#x017F;cheinlichkeit erho&#x0364;ht und dadurch<lb/>
von ihm de&#x017F;to weiter entfernt wurde, welches<lb/>
um &#x017F;o viel leichter ge&#x017F;chehn konnte, weil nie-<lb/>
mand als das Ma&#x0364;dchen und Er um den<lb/>
Mord wußten, und jenes mit einem Offiziere<lb/>
außer Landes geflu&#x0364;chtet war. Die Treulo&#x017F;e<lb/>
war, wie ich mich nachher be&#x017F;onnen habe, zu<lb/>
der Zeit, als mein Mann &#x017F;tarb, mein Kam-<lb/>
merma&#x0364;dchen, und entfloh den&#x017F;elben Abend,<lb/>
als die Vergiftung bekannt wurde &#x2014; ein<lb/>
Um&#x017F;tand, den man wider mich nu&#x0364;zte und<lb/>
mich be&#x017F;chuldigte, mit Be&#x017F;techungen das Ma&#x0364;d-<lb/>
chen vermocht zu haben, durch ihre Flucht<lb/>
meine Schuld auf &#x017F;ich zu nehmen. &#x2014; Gu&#x0364;ti-<lb/>
ger Gott! Meine Ehre, meine Un&#x017F;chuld, mein<lb/>
Name i&#x017F;t gerettet: aber zwanzig Jahre lang<lb/>
unter dem dru&#x0364;ckenden Joche der Schande zu<lb/>
&#x017F;chmachten, das, weine Herren, das nagt<lb/>
das Herz. Kann eine &#x017F;o &#x017F;pa&#x0364;t, &#x017F;o zufa&#x0364;llig<lb/>
erlangte Gerechtigkeit den langen Kummer,<lb/>
Schmerz, Schande wieder er&#x017F;etzen? kann &#x017F;ie<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[132/0152] mit einiger Verachtung von mir wies, der Anſtifter der Vergiftung war, daß er durch tauſend liſtige Kunſtgriffe der Sache eine ſol- che Wendung zu geben gewußt hatte, wo- durch der Verdacht wider mich bis zur hoͤch- ſten Wahrſcheinlichkeit erhoͤht und dadurch von ihm deſto weiter entfernt wurde, welches um ſo viel leichter geſchehn konnte, weil nie- mand als das Maͤdchen und Er um den Mord wußten, und jenes mit einem Offiziere außer Landes gefluͤchtet war. Die Treuloſe war, wie ich mich nachher beſonnen habe, zu der Zeit, als mein Mann ſtarb, mein Kam- mermaͤdchen, und entfloh denſelben Abend, als die Vergiftung bekannt wurde — ein Umſtand, den man wider mich nuͤzte und mich beſchuldigte, mit Beſtechungen das Maͤd- chen vermocht zu haben, durch ihre Flucht meine Schuld auf ſich zu nehmen. — Guͤti- ger Gott! Meine Ehre, meine Unſchuld, mein Name iſt gerettet: aber zwanzig Jahre lang unter dem druͤckenden Joche der Schande zu ſchmachten, das, weine Herren, das nagt das Herz. Kann eine ſo ſpaͤt, ſo zufaͤllig erlangte Gerechtigkeit den langen Kummer, Schmerz, Schande wieder erſetzen? kann ſie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/152
Zitationshilfe: Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/152>, abgerufen am 24.11.2024.