es ist, und sich bey dem Schauspiele der Welt nicht anders interessiren, als der Zu- schauer einer theatralischen Vorstellung, ohne sich drein zu mischen; er wird viel- leicht zuweilen bitter lachen, aber stets Be- sonnenheit genug behalten, über die Welt mit so vieler Kaltblütigkeit zu räsonniren, als jener mit Wärme deklamirt: der Kon- trast zwischen den Begriffen, die ihm die gegenwärtige Erfahrung aufdringt, und den Vorstellungen, die er ehmals hatte, muß ihn nöthigen, einen Ausweg zu su- chen; sein gutes Herz läßt ihn die vielfäl- tigen Unordnungen, Grausamkeiten und Verwirrungen keiner wollenden Vorsicht zuschreiben, er geht einer Ursache nach, und sein Räsonnement führt ihn auf die Nothwendigkeit des Schicksals, welcher er
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es iſt, und ſich bey dem Schauſpiele der Welt nicht anders intereſſiren, als der Zu- ſchauer einer theatraliſchen Vorſtellung, ohne ſich drein zu miſchen; er wird viel- leicht zuweilen bitter lachen, aber ſtets Be- ſonnenheit genug behalten, uͤber die Welt mit ſo vieler Kaltbluͤtigkeit zu raͤſonniren, als jener mit Waͤrme deklamirt: der Kon- traſt zwiſchen den Begriffen, die ihm die gegenwaͤrtige Erfahrung aufdringt, und den Vorſtellungen, die er ehmals hatte, muß ihn noͤthigen, einen Ausweg zu ſu- chen; ſein gutes Herz laͤßt ihn die vielfaͤl- tigen Unordnungen, Grauſamkeiten und Verwirrungen keiner wollenden Vorſicht zuſchreiben, er geht einer Urſache nach, und ſein Raͤſonnement fuͤhrt ihn auf die Nothwendigkeit des Schickſals, welcher er
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[VII/0013]
es iſt, und ſich bey dem Schauſpiele der
Welt nicht anders intereſſiren, als der Zu-
ſchauer einer theatraliſchen Vorſtellung,
ohne ſich drein zu miſchen; er wird viel-
leicht zuweilen bitter lachen, aber ſtets Be-
ſonnenheit genug behalten, uͤber die Welt
mit ſo vieler Kaltbluͤtigkeit zu raͤſonniren,
als jener mit Waͤrme deklamirt: der Kon-
traſt zwiſchen den Begriffen, die ihm die
gegenwaͤrtige Erfahrung aufdringt, und
den Vorſtellungen, die er ehmals hatte,
muß ihn noͤthigen, einen Ausweg zu ſu-
chen; ſein gutes Herz laͤßt ihn die vielfaͤl-
tigen Unordnungen, Grauſamkeiten und
Verwirrungen keiner wollenden Vorſicht
zuſchreiben, er geht einer Urſache nach,
und ſein Raͤſonnement fuͤhrt ihn auf die
Nothwendigkeit des Schickſals, welcher er
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Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. VII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/13>, abgerufen am 30.01.2025.
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